Der Weg zu richtigem Verhalten
Soziale Systeme, ob angeboren oder erlernt, sind ein Ergebnis der Funktionsweise unseres Gehirns. In einem Artikel in Science von 2012 wird berichtet, dass soziale Interaktion bei allen Wirbeltieren ähnliche Reaktionen des neuralen Systems hervorruft – von Fischen bis zu Säugetieren. „Tiere beurteilen ihr soziales Umfeld und reagieren mit Anpassungsentscheidungen“, bemerken die Autoren. Dieses Netz, das soziale Entscheidungen verarbeitet, bildet eine Verbindung zwischen guten Gefühlen und guten Handlungen. Dies führt zu dem gängigen Rat, dem eigenen Gefühl zu folgen: „Wenn es sich gut anfühlt, dann tu es.“
Doch wenn wir alle einfach das täten, was bewirkt, dass wir uns gut fühlen, würde die Zivilisation auseinanderbrechen. Schwieriger ist die Erkenntnis, dass selbst kleine Kompromisse, die der Erfüllung egoistischer Wünsche dienen, gesamtgesellschaftlich negative Auswirkungen haben können. Was wir tun, ist mit Phrasen wie „Es schadet ja niemandem“ oder „Wir sind schließlich beide erwachsen“ leicht zu rechtfertigen, aber es hat tiefgreifende, dauerhafte Folgen. So ist z. B. Ehebruch, auch wenn er mit dem Einvernehmen der Beteiligten geschieht, trotzdem eine Art Betrug – eine Kombination aus Lügen und Gier, die Vertrauen und Hingabe untergräbt. Es ist ein Verhaltensmuster, das alle Beziehungen unterwandert, verdirbt und vergiftet. Und natürlich setzt das Verhalten Erwachsener ein Beispiel, das Kinder nachmachen.
Die Antwort Jesu auf Versuchungen – den Hang, dem nachzugeben, was im Moment als das Beste erscheinen könnte – war klar und ist immer noch gültig, umso mehr, je mehr wir über das menschliche Denken lernen: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht“ (Matthäus 4, 4). Dieser Moment der Entscheidung ist nicht immer angenehm (wäre er angenehm, dann fiele die Entscheidung nicht so schwer); einem höheren Standard, statt den eigenen Begierden zu folgen, ist ebenso möglich wie notwendig für uns und unsere Kinder. Unsere Entscheidungen werden durch ein neurales Schaltsystem verarbeitet, das auf Erfahrungen mit Anpassung der „Verdrahtung“ reagiert. Die Zellen und chemischen Signale mögen recht universal sein, wie die Forschung gezeigt hat. Da jedoch die Wege des Denkens durch das Denken gebahnt werden, hat jede Entscheidung, die wir treffen, Folgen für uns als Individuen. Wie wir entscheiden, ob gut oder schlecht, wird zur Gewohnheit, weil die Bahnen mit dem wenigsten Widerstand die sind, denen wir schon zuvor gefolgt sind. Der betreffende Schaltkreis wird sozusagen ein tief ausgetretener geistiger Trampelpfad – der leichte Weg ist der altbekannte Weg. Die Briefe des Paulus an die Urkirche sprechen von diesem Muster und der Notwendigkeit, einen fehlerhaften Entscheidungsprozess durch einen neuen zu ersetzen. Sein Erlebnis auf der Straße nach Damaskus (Apostelgeschichte 9) war ein solches Ereignis, das sein Denken und sein Leben auf einen völlig neuen Weg brachte, und er sprach es oft an.
Paulus beschrieb diese Wandlung als einen Übergang vom Tod zum Leben oder als eine Neuerschaffung; der alte Mensch und seine Art des Denkens und Handelns werden zurückgelassen. Ähnlich wird auch die gottgefällige Gemeinschaft ein zusammenhängendes Ganzes auf der Basis von Beziehungen, die von dem Gebot Gottes bestimmt sind, Gott und seinen Nächsten wie sich selbst zu lieben (Matthäus 22, 37-39; 3. Mose 19, 18) – wie ein menschlicher Körper, dessen einzelne Glieder für das Wohl des Ganzen zusammenwirken (1. Korinther 12, 14-26).
Wenn wir uns unsere Verhaltensstandards selbst setzen, laufen wir Gefahr, unseren eigenen Versuchungen zu erliegen, bei denen es immer um das Ich geht. Diese Standards sind so flüchtig wie unsere Emotionen und Empfindungen und haben sowohl kurzfristig als auch langfristig verheerende Wirkungen, statt Harmonie unter den Menschen zu schaffen. Die Naturwissenschaft kann Dinge des Fleisches, die materielle Beschaffenheit unseres Seins offenbaren (in diesem Fall die neuralen Bahnen für Reize und Belohnungen) und uns helfen, unser Entscheidungsdilemma zu verstehen. Doch wir sind mehr als nur Fleisch und wir brauchen mehr als nur materielles Brot. Wir sind nach dem Bild Gottes geschaffene Wesen, begabt mit einem Bewusstsein und einer Selbstwahrnehmung, die abgestimmt und trainiert werden muss. Menschliche Empfindungen allein sind kein guter Führer zu richtigen, sozial konstruktiven Entscheidungen. Bei Kindern ist die geistige Plastizität am stärksten; deshalb hat eine frühe Förderung geistiger und sozialer Gewohnheiten lebenslange Wirkungen.