Im Namen Christi
TIm Namen Christi wird eine Menge getan, aber wie viel davon entspricht dem, was Christus tun würde? Wenn man die Frage stellt, die auf vielen amerikanischen Nummernschildern und Kühlschrankmagneten steht – „Was würde Jesus tun?“ –, bekommt man vielleicht nur Meinungen oder Hörensagen als Antwort, wenn man nicht zu den ursprünglichen Quellen geht.
Wenn Politiker den Namen Jesus im Mund führen, kann das Gesagte fern von der Wahrheit sein; die Absicht ist nur, Zuhörer vor ihren eigenen Karren zu spannen. Mit Religionsführern kann es ähnlich sein. Religion und Politik lassen sich nicht vermischen, heißt es – außer wenn ihre jeweiligen Vertreter dies zum gegenseitigen Nutzen tun. In Russland unterstützen zum Beispiel orthodoxe Kirchenoberhäupter Putins Überfall auf die Ukraine und seine politischen Ziele werden mit religiösen Themen und Gedanken verknüpft. In vielen Ländern implizieren christliche Politiker Gottes Zustimmung zu ihrer Politik und ihrem Handeln.
Und dennoch fragt man sich, wo in alledem Christus und sein weithin bewunderter Moralkodex sind. Vielleicht ist dies das Problem: Er ist eben nicht darin und seine Werte sind nirgends zu sehen.
Im ersten Jahrhundert konfrontierte Jesus einige Zeitgenossen, die vorgaben, für Gott zu sprechen, und zeigte ihre Scheinheiligkeit auf: „Ihr sagt: Er ist unser Gott; und ihr kennt ihn nicht“ (Johannes 8, 54b–55a). Er ging noch weiter und sagte ganz klar, dass sie „nicht von Gott“ waren (Vers 47). Viele dieser „Würdenträger“ waren willens, Zeugen zu bestechen, damit sie Lügen über den unschuldigen Mann aus Galiläa erzählten, weil sie erreichen wollten, dass die Römer ihn kreuzigten. Aber eine oberflächliche Praxis religiöser Prinzipien kann nicht über einen ausgehöhlten moralischen Kern hinwegtäuschen.
Wie sollten dann diejenigen, die angeblich für Christus sprechen, ihre Loyalität und ihr aufrichtiges Engagement unter Beweis stellen? Nun, reden bedeutet handeln. Wie Jesus zu jenen Leuten sagte: „Wer von Gott ist, der hört Gottes Worte“ (Vers 47). Und mit hören meinte er danach handeln. Beim Handeln nach den Prinzipien Gottes und seines Sohnes hat Scheinheiligkeit nichts zu suchen.
Ein Politiker, der zumindest dies richtig verstand, war Thomas Jefferson; seinen eigenen moralischen Schwächen zum Trotz schrieb er, die Lehre Jesu sei „der erhabenste und menschenfreundlichste Moralkodex, der den Menschen je angeboten wurde“. Die Bergpredigt Jesu ist als „die wichtigste Rede über christliches Recht und Leben“ bezeichnet worden. Was wir dort finden, ist radikal in seinen Standards für gottgefälliges Verhalten. Und so oft stehen diese Aussagen im Gegensatz zu dem, was in der Welt von Religion und Politik zu sehen ist.
Mahatma Gandhi war kein Christ, doch die Lehre der Bergpredigt machte er sich mit Enthusiasmus zu eigen. Allerdings fand er, die Christenheit des Westens habe den Sinn der Predigt Christi nicht verstanden, da sie Gewalt und Krieg den Vorzug vor Gewaltlosigkeit und Frieden gebe. Er wusste, dass diese Gebote im Alltagsleben praktiziert werden müssen: „Ich denke, die Bergpredigt hat keine Bedeutung, wenn sie nicht für das alltägliche Leben aller Menschen von zentralem Nutzen ist.“/p>
„Vieles von dem, was als Christentum gilt, ist eine Negation der Bergpredigt.“
Betrachten wir einige ihrer bekanntesten Aussagen. „Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen“ (Matthäus 5, 7). In der Not will jeder, dass man ihm Erbarmen zeigt. Aber hier geht es darum, anderen Erbarmen zu zeigen. Wie viel besser würden unsere Beziehungen, wenn wir anderen gäben, was wir uns für uns selbst wünschen? Menschen, die so handeln, werden gesegnet oder glücklich. Wie würde sich das gerade jetzt in Russland und der Ukraine auswirken? Könnte eine barmherzige Einstellung von allen Seiten zu Frieden führen?
Verbinden wir dies mit „Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen“ (Vers 9). Friedfertige Menschen nehmen Opposition ohne Gegenwehr hin, selbst wenn sie im Recht sind, damit die Gewalt aufhört und Friede erreicht wird. Auf persönlicher wie auch nationaler Ebene tun friedfertige Menschen den ersten Schritt zur Versöhnung – indem sie sagen: „Es tut mir leid.“ Wie viel würde erreicht, wenn dieser gottgefällige Wert in die Praxis umgesetzt würde!
An jenem Tag auf dem Berg lehrte Christus auch: „Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich“ (Vers 3). Damit ist eine Haltung der Demut gemeint – nicht selbstfixiert, narzisstisch, überheblich zu sein. Mit dieser Haltung behandelt man seine Mitmenschen wie sich selbst. Sie ist ein Baustein für Kooperation in all unseren Beziehungen, persönlich und kollektiv.
Denken wir schließlich an „Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen“ (Vers 8). Diese wichtige Eigenschaft ist die Antwort auf das Problem, mit dem wir begonnen haben: Scheinheiligkeit. Reinen Herzens zu sein, hat vor allem mit Integrität zu tun, mit einem ehrlichen und aufrechten Charakter. Diese innere Eigenschaft wird Zugang und Nähe zu Gott bewirken.
Wenn Sie mehr darüber lesen möchten, was diese moralischen Lehren in unserer Welt des 21. Jahrhunderts bewirken könnten, werden Sie in unserer Artikelsammlung mit dem Titel „Eine Frage der Werte“ fündig.