Graben nach Glauben
Gläubige wie Skeptiker hoffen, mit der Archäologie ein Fundament für ihr Denken zu finden. Doch vielleicht graben sie nur sich selbst eine Grube.
Palästina, der Ursprung der drei größten monotheistischen Weltreligionen, ist und war immer wichtig für die Entwicklung der menschlichen Geschichte. Doch trotz all der Geschichte, die den Anhängern des Judentums, des Christentums und des Islam gemeinsam ist, ist es ein höchst explosives Land. Die gemeinsame Geschichte ist kein Garant für gemeinsame Ziele. Und Vertrautheit ist oft auch ein Keim für Verachtung.
Selbst erfahrenen Weltreisenden fällt es schwer, nach Palästina - in das „heilige“ Land - zu kommen, ohne ein überwältigendes Gefühl von Geschichtsgeladenheit zu empfinden. Die meisten Besucher sind tief bewegt, Orte betreten zu können, wo vor ihnen große Gestalten der Bibel wandelten. Seit Jahrhunderten spüren zahllose Besucher - Gläubige wie Skeptiker - den Puls der Leidenschaften dieser Region, dieses Landstreifens, wo die Gegenwart ihre Geschichte nicht überwinden kann. Die Bibel ist von entscheidender Bedeutung für die Geschichte der drei Religionen. Die Inhalt der Bibel - oft eifriger verteidigt als angewandt - inspiriert viele Menschen, sich mit dem Heiligen Land zu identifizieren. Der Franziskaner Suriano schrieb im 15. Jahrhundert: „Christus kam durch seine Berührung dem Heiligen Land näher als jedem anderen Teil der Welt. . . . Für die Frommen gibt es keinen Berg, kein Tal, keine Ebene, kein Feld, keinen Brunnen, keinen Fluss, keinen Bach, kein Dorf, nicht einmal einen Stein, den der Erlöser der Welt nicht berührt hat.“
Vierhundert Jahre später schrieb der US-amerikanische Theologe und Pionier der modernen Biblischen Archäologie Edward Robinson über seinen ersten Besuch in Jerusalem: „Die Gefühle eines christlichen Reisenden, der sich Jerusalem nähert, lassen sich besser nachempfinden als beschreiben. Die meinen waren stark erregt. Als wir näher kamen, lagen vor uns Zion, der Ölberg, die Täler von Hinnom und Jehoschaphat und andere Gegenstände von tiefstem Interesse; und die Gipfel derselben uralten Hügel krönten die Stadt, wo Gott von altersher gewohnt und wo der Erlöser der Welt gelebt, gelehrt und den Tod erlitten hatte. Von frühester Kindheit an hatte ich von den Stätten dieses heiligen Landes gelesen und sie studiert - nun erblickte ich sie mit eigenen Augen; und sie schienen mir alle vertraut, als wäre ein Traum Wirklichkeit geworden.“
In dieser komplexen und emotional aufgeladene Umgebung entstand die Biblische Archäologie. Obwohl ihr Forschungsgebiet weit ausgedehnter ist als das Heilige Land, sind die Kontroversen, die sie auslöst, in Palästina besonders intensiv.
SCHATZSUCHE
Bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts waren die meisten Grabungen im Heiligen Land nicht viel mehr als Schatzsuche. Es war wohl Edward Robinson, der im Jahr 1838 auf seiner Pilgerreise ins Heilige Land Ausgrabungen eher wissenschaftlicher Art möglich machte. Zusammen mit seinem Kollegen Eli Smith führte Robinson die bis dahin genaueste geografische Bestandsaufnahme des Heiligen Landes durch. Mit Hilfe von Vergleichen und Ähnlichkeiten zwischen alten hebräischen und modernen arabischen Ortsnamen konnten sie Dutzende von biblischen Stätten identifizieren und wieder entdecken. Gleichzeitig stellten sie fest, dass viele traditionelle religiöse Stätten nur „frommer Aberglaube“ waren.
All dies wurde in ihrem umfangreichen Werk Biblical Researches in Palestine, Mount Sinai and Arabia Petraea ausführlich berichtet. Neil Asher Silberman kommentiert in Digging for God and Country: „In ihrem beharrlichen Suchen nach der Vergangenheit hatten sie die Grundlage für ein wissenschaftlich, religiös und politisch völlig neues Unterfangen im Heiligen Land geschaffen. Die Kunst und Wissenschaft der Biblischen Archäologie war geboren.“
Doch ihre Arbeit hatte noch weitreichendere Folgen. Sie beflügelte die Christen in der Heimat mit großem Enthusiasmus. Es schien, als müsse sich nur noch jemand daran machen, das Land der Bibel auszugraben.
Und so entwickelte sich in den Jahrzehnten nach dem Erscheinen von Robinsons Researches - und insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg - ein Unterfangen, das mehr Ähnlichkeit mit der modernen archäologischen Praxis hatte.
Als wäre es nicht schwer genug, Kulturen aus Schutt (und obendrein noch wenig Schutt) zu rekonstruieren, hat die Biblische Archäologie jedoch ihre eigenen Probleme geschaffen.
Als wäre es nicht schwer genug, Kulturen aus Schutt (und obendrein noch wenig Schutt) zu rekonstruieren, hat die Biblische Archäologie jedoch ihre eigenen Probleme geschaffen. In Archaeology From the Earth bemerkt Mortimer Wheeler, in Palästina seien „wahrscheinlich mehr Sünden im Namen der Archäologie begangen worden als auf jedem anderen vergleichbaren Teil der Erdoberfläche“.
Wenn diese Bemerkung zutrifft, dann, weil die Biblische Archäologie gewissermaßen ein Drahtseilakt ist. Archäologie ist eine Naturwissenschaft. Das Studium der Bibel ist es nicht. Leider gab es zwischen Naturwissenschaft und Bibel immer bestenfalls eine unbehagliche Partnerschaft.
Vielleicht ist es die Neigung des Menschen, die Bestätigung seiner eigenen Überzeugungen zu suchen und seinen Glauben durch physische Beweise zu stärken, was die Biblische Archäologie so schwierig macht. Es scheint, als gäbe es keinen besseren Weg, den Glauben zu rechtfertigen, als Gegenstände aus dem biblischen Boden auszugraben - das Unbegreifliche mit etwas Greifbarem zu bestätigen. Doch die Leidenschaft, die oft mit Glauben und Überzeugung einhergeht, ist in der Archäologie fehl am Platz. Materielle Beweise sind nicht das, was den Glauben ausmacht und was ihn vertieft, wie wir sehen werden.
Trotzdem kann der Wunsch nach materiellen Beweisen so stark sein, dass auch schon versucht wurde, eine Übereinstimmung zwischen der Bibel und archäologischen Befunden zu erzwingen. So kann man zu Schlussfolgerungen kommen, ohne zum Beispiel zu berücksichtigen, ob sich archäologische Funde und eine Aussage der Bibel auch nur auf dieselbe Epoche beziehen. Abweichende Auffassungen von Geschichte und Chronologie können die Indizien durcheinander bringen (siehe unseren Sonderdruck: „Löcher in der Geschichte“).
Andererseits lässt sich nicht leugnen, dass Leidenschaft für die Bibel existiert und für die Wissenschaft Archäologie sogar nützlich sein kann. Schließlich ist sie, wenn man es auf einen einfachen Nenner bringen möchte, oft die Kraft, die nötig ist, um Mitarbeiter und Gelder für archäologische Grabungen zu gewinnen. Allerdings haben einige Archäologen, angetrieben von ihrer jeweiligen religiösen Überzeugung, Beweise anderer Kulturen, deren Artefakte Seite an Seite mit den Gegenständen ihres Interesses lagen, ignoriert und sogar zerstört. Und wenn die Emotionen aufgewühlt sind, kann die Politik nicht weit sein. Wo unangebrachte archäologische Leidenschaft ein Problem ist, legt politische Leidenschaft noch ihre eigenen Landminen dazu.
Angetrieben von ihrer jeweiligen religiösen Überzeugung, haben manche Archäologen Beweise anderer Kulturen ignoriert und sogar zerstört.
EINE FRAGE DER AUSLEGUNG
Das Wesen der archäologischen Wissenschaft ist die Deutung von Informationen, um daraus historische Tatsachen zu ermitteln. Ohne historische Anhaltspunkte aus schriftlichen Zeugnissen muss sie sich auf Artefakte stützen, vor allem auf das Vorkommen unterschiedlicher Arten von Töpferwaren. Aus der Beobachtung von Veränderungen in den gefundenen Tongefäßen lässt sich deren Datierung ableiten. Daneben datiert man die aufeinander folgenden Zerstörungen von Städten oder Dörfern, wiederum im Licht anderer historischer Zeugnisse. Doch selbst dieses Beweismaterial kann unterschiedlich gedeutet und somit unterschiedlich datiert werden.
Ein aktuelles Beispiel ist die Ausgrabung bei Bet She'an unter der Leitung des israelischen Archäologen Amihai Mazar. Mazar hat die C-14 Datierung angewandt, um ein Datierungsprofil für die Schichten der Ausgrabungsstätte zu erstellen, doch seine Schlussfolgerungen widersprechen denen seines Kollegen Israel Finkelstein im nahegelegenen Megiddo. Einige Übereinstimmungen zwischen den Fundorten sollte man erwarten - die Widersprüchlichkeit deutet also darauf hin, dass eine der beiden Deutungen falsch ist. Darüber hinaus zeigt sie, wie sehr die Archäologie auf externe Quellen angewiesen ist, um festzustellen, was nun wirklich zutrifft.
Trotz dieser Defizite wird von der Archäologie sogar erwartet, Palästinas anscheinend ewige Frage zu beantworten: Wem gehört das Heilige Land? Diese Art Druck bringt die Archäologen in eine heikle Lage. Der Alttestamentler Walter Brueggemann schreibt: „Land ist ein zentrales, wenn nicht das zentrale Thema des biblischen Glaubens.“ Doch für das Heilige Land als Verheißung, Erbe oder historisches Recht ist die Archäologie nicht zuständig. Es ist unangemessen, sie zu benutzen, um biblische Ansprüche auf ein Land zu untermauern und alle anderen historischen Ansprüche zu übertrumpfen. Der gefeierte palästinensische Schriftsteller Edward Said hat geschrieben: „Für einen Israeli bekräftigt die Archäologie die jüdische Identität in Israel und rechtfertigt eine besondere Art der kolonialen Besiedlung . . .; für einen Palästinenser gilt es die Archäologie herauszufordern, damit diese ,Fakten‘ und die Praktiken, die ihnen eine Art naturwissenschaftliches Gütesiegel gaben, für die Existenz anderer Geschichtsstränge und eine Vielzahl von Stimmen geöffnet werden.“
BEWEISLAST
Was hat Archäologie dann mit Bibel und Glauben zu tun?
Während manche Bibelgelehrte von der Archäologie Beweise erwarten, dass Elemente des biblischen Texts wörtlich wahr sind, benutzen die Revisionisten (die generell Agnostiker sind) die Archäologie und ihre oft nicht stichhaltigen Beweise als Rechtfertigung für ihre Zweifel. Die postmoderne Malaise, die unsere Kultur schwächt, beeinträchtigt auch die Bibelforschung und die Archäologie. Am 29. Juli 2000 brachte die New York Times zum Beispiel einen Artikel, der Finkelsteins revisionistische Sicht unterstützte, mit dem Titel „The Bible, as History, Flunks New Archaeological Tests“ (Die Bibel als Geschichte besteht die Prüfung der neuen Archäologie nicht).
William Dever, Professor für Archäologie und Anthropologie des Nahen Ostens an der University of Arizona in Tucson, vertritt die Gegenmeinung, wenn er schreibt: „Einfach ausgedrückt stellen sich folgende Fragen: Wenn die hebräische Bibel historisch nicht wahr ist, wie kann sie dann überhaupt wahr sein? Wenn die biblischen Geschichten geschichtlich nicht stimmen, warum wurden sie dann überhaupt niedergeschrieben? Und warum wurden sie bis zum heutigen Tag als das Herzstück der Tradition bewahrt, überliefert und als gültig betrachtet? Ist die Bibel letztlich ein ungeheurer literarischer Schwindel?“
Leider stellen manche Archäologen in dem Bestreben, sich und ihr Fach von emotionalen Auseinandersetzungen zu distanzieren, ihre Wissenschaft über alles andere, und dadurch werden sie selbst revisionistisch und emotional.
Hat nun die Bibel die Archäologie im Stich gelassen? Hat die Archäologie die Bibel im Stich gelassen? Oder sind das die falschen Fragen?
Hat nun die Bibel die Archäologie im Stich gelassen? Hat die Archäologie die Bibel im Stich gelassen? Oder sind das die falschen Fragen? Vielleicht sollten wir uns fragen, ob wir von der Archäologie nicht etwas erwarten, was sie nicht leisten kann.
Dever erklärt: „Archäologie kann von ihrem Wesen her die Bibel mit ihrer theologischen Deutung der Ereignisse nicht ,beweisen‘, sondern bestenfalls die Wahrscheinlichkeit kommentieren, dass die fraglichen Ereignisse in der Geschichte stattgefunden haben. Doch wenn es für Gläubige ein Trost ist: Aus demselben Grund kann Archäologie die biblischen Aussagen über die Bedeutung der Dinge auch nicht widerlegen.“
Der Zweck der Archäologie liegt also nicht darin, die Bibel zu beweisen oder zu widerlegen - oder uns dazu zu bringen, dass wir der Bibel glauben oder nicht. Wir sind bereits gläubig oder nicht (oder wir zweifeln). Die Bibel steht für sich und braucht die moderne wissenschaftliche Forschung nicht als Stütze. In der Bibel geht es darum, wie man lebt - in der Archäologie nicht. Als Geschichtsbuch ist die Bibel unvollständig, und wie viele Lücken die Archäologie mit der Zeit noch schließen wird, bleibt abzuwarten.
Dever erinnert uns dann: „Theoretisch entdeckt die Archäologie objektive ,Fakten‘ aus der Vergangenheit - zum Beispiel ein Tongefäß, ein Steinwerkzeug, eine Figurine, die Fundamente eines Gebäudes, vielleicht den gesamten Plan eines Dorfes oder sogar einen geschriebenen Text -, doch die Wahrnehmung der Realität in ihnen ist immer abhängig von der gegenwärtigen, subjektiven Deutung durch den Menschen.“ Vielleicht werden künftige Archäologenteams die Teile des Puzzles, die wir schon haben, mit neuen Technologien und anderen Fachkenntnissen neu deuten, vielleicht Diskrepanzen auflösen und noch offene Fragen beantworten. Doch im besten Fall haben Archäologen es auch nur mit unvollständigem Beweismaterial zu tun.
GESCHICHTE, WISSENSCHAFT UND GLAUBE
Wie wörtlich ist die biblische Geschichtsschreibung zu nehmen? Auch dies ist eine Frage, die die Archäologie derzeit nicht beantworten kann. Weil Archäologie nichts Abgeschlossenes ist, sondern Deutungen und Umdeutungen unterliegt, wäre es ein Fehler, anzunehmen, wir hätten alles gefunden, was wir finden werden, oder alle fehlenden Teile seien erhalten geblieben und warteten nur darauf, dass wir sie ausgraben.
Dennoch bringt die Archäologie uns die Welt der Bibel näher. Sie hilft uns, sie mit der konkreten Welt in Verbindung zu bringen. Sie zeigt, dass die Bibel nicht nur eine Sammlung von Erzählungen ist, sondern eine Geschichte tatsächlicher Ereignisse. Die Bibel ist eine Chronik vom Leben realer Menschen, mit uns vergleichbar, mit ähnlichen Sorgen und Nöten, und die an Orten lebten, die wir heute noch besuchen können.
Allerdings ist die Bibel nicht einfach ein Geschichtsbuch im heutigen Sinne. Sie ist ein Buch über Gottes Beziehung zu den Menschen. Mit Hilfe von Darstellungen geschichtlicher Ereignisse, Prophezeiungen, Genealogien und Erzählungen zeigt sie Gottes Engagement für einen noch immer gültigen Plan für alle Menschen. Sie ist ein Lehrbuch, das die Menschheit in eine Beziehung mit ihm führen soll. Als solches geht es ihr weder um Wissenschaftlichkeit, noch sind ihr wissenschaftliche Grenzen gesetzt.
In der Bibel geht es nicht in erster Linie um Materielles - Orte und Ereignisse -, sondern um Geistiges: Haltungen, Überzeugungen und innere Einstellungen. Da wir materielle Wesen sind, fühlen wir uns dem Materiellen natürlich verbunden, aber das sollte für uns nicht das Wichtigste sein.
Die Bibel ist vom Glauben bestimmt, nicht von der Wissenschaft. Der Archäologie geht es nicht um den Glauben, und sie kann nicht leisten, was der Glaube leisten sollte. Der biblische Autor des Briefes an die Hebräer erklärt den Glauben in dem Kapitel, das wir als „Glaubenskapitel“ bezeichnen, als „eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht“ (Hebräer 11, 1). Glaube ist ein Geschenk Gottes, das man empfängt, wenn man in eine richtige Beziehung zu ihm kommt. Glaube ist Vertrauen auf Gott und das, was er tut, und ob die Archäologie dies bestätigt oder nicht, ändert nichts daran. Wie James Charlesworth, Professor für Sprache und Literatur des Neuen Testaments am Princeton Theological Seminary, erklärt: „Archäologie kann den Glauben nicht formen, aber sie kann ihn informieren helfen.“ Keine Wissenschaft kann mit der schlichten Aussage der Genesis konkurrieren: „Abram glaubte dem HERRN, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit“ (1. Mose 15, 6).
Im Großen und Ganzen geht es der Bibel nicht um andere Religionen, Architektur, Bodennutzung und Geografie, nicht einmal um die Geschichte anderer Völker. Es ist nicht Aufgabe der Archäologie, die Bibel zu ersetzen, zu widerlegen oder zu bestätigen, aber sie hat das Potenzial, den biblischen Text in mehrfacher Weise zu erhellen. Wie außerbiblische Quellen, die für den Glauben und die Kenntnis der biblischen Lehre nicht entscheidend sind, uns aber ein tieferes und umfassenderes Verständnis der biblischen Botschaft geben können, hat die Archäologie ihren Nutzen zur Unterstützung des Glaubens.
Allem voran kann die Archäologie einen allgemeinen Hintergrund für die Ereignisse der Bibel geben. Alles in der Bibel geschah in einem Kontext. Jede biblische Persönlichkeit lebte in ihrem eigenen, spezifischen Umfeld, an einem bestimmten Ort. Doch nur vom Lesen der Bibel wird die Bedeutung der Situation, in der die Ereignisse stattfanden, nicht immer deutlich. Zu wissen, wo sie stattfanden, hilft uns oft zu verstehen, warum die Bibel etwas so und nicht anders sagt. Wenn wir den Kontext verstehen, in den eine Geschichte eingebettet ist, können wir beginnen, etwas von den Nuancen der Bibel zu entdecken.
Die Archäologie hat uns Einblick in das religiöse Umfeld der biblischen Welt verschafft. Die Vorstellung einer monolithischen oder einheitlichen jüdischen Religion in der Epoche zwischen den Testamenten wurde nach der Entdeckung der Qumran-Schriftrollen schnell widerlegt. Heute sehen wir, dass die Welt Jesu der unseren nicht unähnlich war - von ihrer Intoleranz gegenüber konkurrierenden Weltbildern bis hin zu ihrem wirren Gemisch religiöser Vorstellungen über alles, vom Gesetz bis zu messianischen Verheißungen. Durch Funde wie diesen können wir die Zeitlosigkeit der Bibel sehen. Selbst die Ausgrabung von Stätten, die die Bibel nicht erwähnt - wie Pompeji, das durch einen Ausbruch des Vesuv im Jahr 79 n. Chr. unterging -, gibt uns eine klare Vorstellung von der Art römischer Stadt, in der der Apostel Paulus seine Botschaft gepredigt haben muss.
DIE VERGANGENHEIT ANS LICHT HOLEN
Wie schon gesagt, ist die Bibel nicht primär ein Geschichtsbuch, und sie will uns auch keinen kompletten Bericht der Geschichte und der Geschehnisse geben. Das ist nicht ihr Zweck. Sie liefert nur die Einzelheiten, die notwendig sind, um das Wesentliche auszudrücken. Die Archäologie kann oft Beweismaterial zutage fördern, das die Lücken füllt, und den Bildern, die wir schon haben, Farbe verleiht. So beschreibt die Bibel nicht, was Jesus zwischen dem Alter von 12 und dem Beginn seines öffentlichen Wirkens 18 Jahre später tat. Doch wenn wir das, was uns über Jesus und seine Familie gesagt wird, mit Funden der aktuellen Ausgrabung bei Sepphoris zusammenfügen - einer antiken Stadt aus der Zeit Jesu, nur wenige Kilometer von seinem Wohnort entfernt -, so können wir mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, dass er dort zusammen mit seinem Vater als Bauunternehmer gearbeitet haben könnte. Außerbiblische Informationen dieser Art helfen uns, die Bibel lebendig werden zu lassen.
Darüber hinaus helfen uns biblische wie auch nichtbiblische Texte, die die Archäologie wieder gefunden hat, viele Bibelpassagen zu übersetzen und zu erklären. Wörter können im Lauf der Jahre ihre Bedeutung ändern und tun dies auch. Ein Text, der in einer ähnlichen Sprache geschrieben ist, kann für ein bestimmtes Wort eine andere Bedeutung liefern, die besser zum biblischen Kontext passt. Dies kann uns helfen, eine bessere Vorstellung davon zu bekommen, was genau ein Autor der Bibel gemeint hat. Ägyptische Papyri haben so einen großen Beitrag zu unserem Verständnis und unserer Kenntnis der Welt des Alten Testaments geleistet. Sie haben auch geholfen, die Sprache und Denkweise der einfachen Menschen und somit der Urkirche zu veranschaulichen.
Die Schriftrollen von Qumran, die auf das 1. und 2. Jahrhundert v. Chr. zurückgehen, haben uns auch insofern geholfen, als sie gezeigt haben, wie die Hand Gottes sein Wort über Jahrhunderte hinweg schützt. Die Geschichte, wie die Bibel entstanden ist, ist sehr interessant. Viele Skeptiker gingen davon aus, dass bei all den Abschriften, die von Hand angefertigt wurden, bis Gutenberg seine Druckerpresse erfand, aus allen möglichen Gründen viele Wörter geändert, hinzugefügt oder ausgelassen wurden. Doch als die bei den Qumran-Rollen gefundenen Texte aus dem Alten Testament untersucht wurden, bestätigten sie größtenteils den masoretischen Text. Die älteste Passage dieses Texts, der Aleppo-Kodex, geht auf das 10. Jahrhundert v. Chr. zurück.
Trotz aller Fragen, die die Biblische Archäologie aufgeworfen und offen gelassen hat, hat sie doch einen bedeutenden Beitrag zur Historizität der Bibel geleistet.
Trotz aller Fragen, die die Biblische Archäologie aufgeworfen und offen gelassen hat, hat sie doch einen bedeutenden Beitrag zur Historizität der Bibel geleistet. Entdeckungen wie der Wassertunnel unter Jerusalem, der unter König Hiskia gegraben wurde; der See von Bethesda, wo Jesus einen verkrüppelten Mann heilte; der Stein im römischen Theater von Caesarea, der den Namen Pilatus trägt; das Bema in Korinth, wo Paulus der Prozess gemacht wurde; und das Amphitheater in Ephesus, wo der Aufstand der Silberschmiede ausbrach, um nur einige zu nennen - sie alle tragen zur historischen Glaubwürdigkeit der Bibel bei.
Wie alle akademischen Disziplinen existiert die Archäologie nicht im luftleeren Raum. Sie beeinflusst andere Fachbereiche und wird von ihnen beeinflusst. Wenn diese Disziplinen zusammenkommen, entstehen neue Gedanken und Einsichten. Wenn biblische Forschung und Archäologie sich einander nähern, werden beide aufgeklärt.