Konvergenz der Kulte

Sowohl der Titel als auch das Bild der Himmelskönigin sind althergebrachte Bestandteile vieler populärer religiöser Traditionen. Bilder der heidnischen Antike blieben durch Epochen erhalten und nahmen veränderte Bedeutungen an, als neue Kulturen bestehende Traditionen assimilierten. Der emeritierte Professor James Stevens Curl bemerkt in seinem Buch von 2005, The Egyptian Revival: Ancient Egypt as the Inspiration for Design Motifs in the West

Über mehrere Jahrhunderte geschah die Vermischung von Religionen sehr langsam, fast unmerklich, sodass Isisbilder als Bilder der Madonna angesehen wurden (deren Beinamen dieselben waren wie die der großen Ägypterin), denn schließlich waren das Diadem, die Palme, das kleine Kind, der Mond, die Rose und vieles mehr beiden gemeinsam.“ 

William Agnew Paton sah dies im späten 19. Jahrhundert auf seinen Reisen durch Sizilien – damals eine exotische Welt, deren altherge-brachte Vorstellungen weitgehend unberührt von moderner Kommunikation waren. 

Ein häufig wiederkehrendes Thema seines Buches von 1898, Picturesque Sicily, ist die Vermengung von Religionen im ganzen Land. Auf dem Berg Eryx (heute Erice), berichtet er, „standen seit dem Morgen der Welt nacheinander Tempel der Astarte, der Aphrodite, der Venus-Erycina und in diesen neueren Zeiten eine Kapelle der heiligen Madonna. Die schönheitsliebenden Griechen, die in Astarte den Prototyp einer ihrer eigenen Göttinnen fanden, gaben ihr einen Platz in ihrer neuen Mythologie unter dem Namen Aphrodite; diese wurde von den Römern in Venus umbenannt, […] und so sehr wurde diese lieblichste aller heidnischen Gottheiten auf dem Eryx verehrt, dass die frühen Christen es nicht übers Herz brachten, die Göttin der Liebe zu verbannen. […] Wie heidnische Priester Astarte, Aphrodite, Venus als Göttinnen gehuldigt hatten, so verneigten sich später christliche Geistliche an der heiligen Stätte, die ihrem Ideal fraulicher Anmut und Lieblichkeit geweiht war, und errichteten auf dem Eryx einen Altar der ,Madonna der Gnaden‘“ [M. delle Grazie]. 

So beschrieb Paton die allmähliche Entwicklung einer der meistverehrten religiösen Ikonen unserer Zeit aus den heidnischen Liebesgöttinnen der Antike. Und wenn eine Göttin sich in eine andere verwandelte, kam ihr kleiner Sohn mit; in Mythos, Legende und Kult wurden vertraute Bilder bewahrt und mit neuen Inhalten verbunden.