Vorsorgeprinzipien
Wahrscheinlich will niemand tatsächlich Fehler machen; dennoch scheint es oft unser Schicksal zu sein, von unerwünschten Konsequenzen beherrscht zu werden. Doch wie Dietrich Dörner in Die Logik des Misslingens einleuchtend zusammenfasst, verfügen wir über die Fähigkeit, aus Fehlern zu lernen: Vor allem kann man „lernen, dass es notwendig ist, die eigenen Fehler zu analysieren und daraus Schlüsse für die Umorganisation des eigenen Denkens und Verhaltens zu ziehen“ [S. 306]. Fehler und Fehlerquellen zu erkennen und zu korrigieren, kann uns helfen, zukünftige Fehler zu vermeiden.
Manchmal machen wir Tatsachenfehler; wir wussten tatsächlich nicht, was geschehen konnte. Oder wir beurteilen etwas falsch und glauben, es richtig zu machen, bis wir das Ergebnis sehen. Ursache und Wirkung können unklar sein. Auch kommt es vor, wie Dörner anmerkt, dass wir unser eigenes Wohl über das der anderen stellen, und uns über Kollateralschäden für diese hinwegsetzen. Aber Selbsterhaltung und „Ich zuerst“ gehen oft auf Kosten von Gesundheit, Wohlstand oder persönlichen Beziehungen. Wenn wir es uns leicht machen und erwarten, dass andere das ausgleichen, hat dies oft klare und offensichtliche Folgen, doch manchmal ignorieren wir sie bewusst und müssen das später, wenn nicht sofort büßen.
Das Vorsorgeprinzip diktiert, dass wir uns sorgfältig darum bemühen, potenzielle negative Folgen unseres Handelns vorauszusehen, und zwar auf individueller wie auch auf globaler Ebene. Bei der Diskussion um den menschlichen Beitrag zum Klimawandel wird z. B. argumentiert, es sei angebracht, vorsichtshalber unseren CO2-Fußabdruck zu reduzieren, obwohl bzw. gerade weil wir nicht genau verstehen, wie das Klimasystem funktioniert. So schrieb der Bioethiker Peter Singer kürzlich, im Hinblick auf das ökologische Erbe, das wir vielleicht künftigen Generationen hinterlassen, sei es das Richtige, jetzt unsere Konsumgewohnheiten radikal zu ändern: „Vielleicht steht schon ein technologisches Wunder vor der Tür – eines, das jedem auf der Welt einen ähnlich hohen Energieverbrauch ermöglicht, wie wir ihn haben, ohne dass er zur Katastrophe für alle führt. Es ist jedoch ethisch nicht vertretbar, auf ein Wunder zu hoffen und nichts zu tun, da es andere und nicht wir sein werden, die die schlimmsten Folgen erleiden, wenn das Wunder niemals kommt.“
Bjørn Lomborg meint dagegen, eine korrekte Kosten-Nutzen-Analyse führe zu dem Schluss, dass es stärkeres Wirtschaftswachstum heute ermöglichen wird, morgen in die technologischen Wunder grüner, CO2-neutraler Energie zu investieren: „Da wir reicher werden und weniger Probleme mit so unmittelbaren Notwendigkeiten wie Wasser, Nahrung und Gesundheit haben, werden wir offener für Umweltbelange.“ Lomborg ist der Leiter des Copenhagen Consensus Center und Autor des Buches The Skeptical Environmentalist. Seiner Meinung nach wäre es kontraproduktiv, die Nutzung von Ressourcen heute zu verringern.
Die Anwendung des Vorsorgeprinzips wird dann zu einem Spiel komplizierter Berechnungen und endloser Deutelei. Die Diskussion wird mit Sicherheit weitergehen, bis wir etwas tun müssen. Selbst dann – wäre der zweckmäßigste Weg auch der richtige Weg?
Ein häufig übersehener Kanon von Prinzipien kann helfen, unser Handeln und seine Folgen für andere richtig zu bewerten. Wenn wir die biblischen Gebote als gültige Einblicke in eine Denkweise akzeptieren, die vor unerwünschten, gefährlichen und oft destruktiven Folgen schützt, dann werden diese zehn Grundsätze ein starker Führer hin zu einem Verhalten, das keine unerwünschten Folgen hat.
Bedauerlicherweise werden die Zehn Gebote (2. Mose 20, 1-17 und 5. Mose 5, 6-21) oft als bloße Liste von Verboten gesehen. Das überrascht nicht, denn die meisten beinhalten Einschränkungen – aber nicht, um uns den Spaß am Leben zu nehmen. Tatsächlich sind sie zum Schutz da: Das Wissen, was man nicht tun soll, zeigt den besseren Weg auf. Mehrere enthalten einfach Anweisungen (sagen dem Leser, er solle z. B. wissen, sich erinnern, ehren). Wie Jesus erklärte, geben die Gebote ein ganzheitliches Bild davon, wie wir unsere Beziehungen zu Gott und unseren Mitmenschen gestalten sollen. Sie bieten eine Grundlinie oder Messlatte, an dem man sein Handeln in der Welt orientieren kann. Sie bieten Einblick in die Natur Gottes selbst (Matthäus 5, 17-48 und 19, 16-22; Lukus 10, 25-37; 2. Petrus 1, 4).
Die ersten vier Gebote erinnern daran, dass der Mensch nicht Herr der Schöpfung, sondern seinem Schöpfer verpflichtet ist. Die anderen sechs sind eine Zusammenfassung dessen, was man als das einfachste Vorsorgeprinzip bezeichnen könnte: den Mitmenschen so zu lieben wie sich selbst (Matthäus 22, 35-40).
Über sich selbst hinauszudenken ist eine zentrale Forderung der Gebote, und ihr Zweck ist, Anleitung für richtige Beziehungen zu bieten – sowohl zu Gott als auch zu den Mitmenschen. Sie schützen nicht nur andere, sondern sie geben auch unserem eigenen Leben einen Zusammenhang, weil sie uns helfen, die gesamte Schöpfung als ein integriertes Ganzes zu sehen. Da die menschliche Neigung zu Egoismus und Rücksichtslosigkeit trotzdem bleibt, sind die Gebote eine ständige Erinnerung an bessere Optionen, die immer verfügbar, immer möglich und nie überholt sind.
In den kommenden Jahrzehnten wird es bei Rohstoffen für die Industrialisierung und bei der Erfindung neuer synthetischer Stoffe (einschließlich neuer Organismen und Bioreaktoren, für die neue Feldfrüchte benötigt werden) weltweit steigenden Wettbewerbsdruck geben. Angesichts dessen wäre ein Kanon „grüner“ Gebote eine unschätzbare Hilfe, um die Folgen unseres Handelns zu durchdenken. Während wir die Umstellungen durchmachen, die vor uns liegen, brauchen wir Vorschläge, die tiefer gehen als „besser LED als Glühbirne“ oder „besser Keramik als Plastik“.
Vor diesem Hintergrund wurden die Gebote hier zu Verhaltensnormen umformuliert, die uns von unerwünschten Folgen in unseren immer mehr globalisierten Beziehungen wegführen würden.
- Alle unsere Hilfsmittel zur Erschaffung von Dingen kommen von Gott. Geh mit allem achtsam um.
- Gott existiert außerhalb von Geschaffenem. Gott ist nicht in dem, was du baust, und durch das, was du baust, wirst du nicht Gott.
- Wir anerkennen und ehren Gott mit unserem richtigen Handeln; Glaube an Gott erfordert bestimmte Verhaltensweisen, die immer mehr die ganze Welt einbeziehen.
- Die gesamte Schöpfung geht durch bestimmte Zyklen. Feiertage/Sabbate sind für alle da.
- Ehrfurcht vor der menschlichen Familie ist praktizierte Ehrfurcht vor Gott.
- Sich nicht um Mitmenschen zu kümmern, ist falsch; es ist gleichbedeutend mit Mord.
- Suche Reinheit in allem.
- Sei bestrebt, zu geben.
- Betrug zerstört Beziehungen.
- Suche Zufriedenheit, nicht Konsum.