Lobpreis und Dank an Gott
„Wieder und wieder sagen uns die Psalmisten, dass es die eigentliche Berufung des Menschen ist, die Ressourcen der menschlichen Sprache zu nutzen, um Gottes Größe zu preisen und Dankbarkeit für seine Wohltaten auszudrücken.“
VORIGES LESEN
(TEIL 35)
ZUR SERIE
Sie werden zum Lob Gottes gesungen, in Zeiten der Entmutigung und Krise von vielen zur Inspiration gelesen und zur Unterweisung in gottgefällige Prinzipien studiert – die Psalmen haben ihren eigenen, einzigartigen Wert als Zusammenfassung biblischer Wahrheiten.
Dieses längste Buch der Bibel hat seinen Platz in der Mitte der heiligen Schrift und wird auch als „kleine Bibel“ bezeichnet. Es weist zurück über die Geschichte Israels bis zur Schöpfung und voraus zum Neuen Testament, bis zum Ende unserer Zeit. Jahwe – der Herr des Alten Bundes mit Israel – ist Jesus, der Christus des neuen Bundes. Israeliten der alten Zeit sangen Psalmen in den Tempeln auf dem Berg Zion, und die Urchristen taten das Gleiche in ihren Versammlungen.
Das Wort Psalmen ist über die lateinische Übersetzung des griechischen Neuen Testaments, der Vulgata, in die deutsche Sprache gelangt. Der griechische Plural Psalmoi („Gesänge“) entspricht dem hebräischen Wort mismor, „zu einem Musikinstrument gesungene Komposition“. Auf Hebräisch lautet der Titel Sefer Tehillim, „Buch der Lobgesänge“; er betont eine insgesamt positive Einstellung: Trotz Gründen für Traurigkeit und Verzweiflung werden Gott Gesänge dargebracht. Als eine Sammlung von Äußerungen der Klage und des Leidens, aber auch des Danks und Lobpreises durch Einzelpersonen oder die Gemeinschaft sowie von Gebeten und Hymnen umfasst das Buch fünf Teile, die im Lauf mehrerer Jahrhunderte geschrieben und zusammengestellt wurden.
„[Die fünf Teile des Psalters] lassen einen langen Bauprozess erkennen, bei dem Material zu Blöcken gefügt wurde, die dann zu größeren Einheiten und schließlich zu einem Gesamtwerk zusammengesetzt wurden.“
Verschiedene Urheber
Der Psalter wird oft für ein Werk Davids, des berühmtesten Königs von Israel, gehalten. Laut dem jüdischen Midrasch zu Psalm 1 gab David den Juden fünf Bücher der Psalmen, die den fünf Büchern Mose entsprachen. Aber innerhalb des Buchs selbst werden viele Psalmen durch Überschriften anderen Autoren zugeordnet, darunter Mose, Salomo, Etan dem Esrachiter sowie den Tempelmusikern Jedutan und Heman. Des Weiteren sind 34 der 150 Psalmen anonym, ohne jede Art von Überschrift.
Die fünf Teile oder untergeordneten „Bücher“ bestehen aus den Psalmen 1–41, 42–72, 73–89, 90–106 und 107–150. Jedes schließt mit einem Lobpreis Gottes – einer Doxologie –, außer dem fünften Buch, dort bilden die letzten fünf Psalmen selbst einen Abschluss, bei dem die Gemeinde aufgerufen wird, „Hallelu-Jah“ („Lob sei Jah[we]“) zu singen. Diese fünf Bücher enthalten ihrerseits verschiedene unabhängige Sammlungen, wie im Folgenden gezeigt wird.
In der hebräischen heiligen Schrift werden 73 Psalmen David zugeschrieben: 3–41, außer 10 und 33, 51–65, 68–70, 86, 101, 103, 108–110 und 138–145. Diese Annahme ist nachvollziehbar, denn andere Bibelstellen bezeichnen David als Lautenspieler (1. Samuel 16, 14–23), als Verfasser eines poetischen Klageliedes für Saul und Jonathan (2. Samuel 1, 17–27) und am Ende seines Lebens als „Liebling der Lieder Israels“ (2. Samuel 23, 1).
Allerdings ist ungewiss, ob die hebräische Zuordnung, die vielen Psalmen voransteht – mismor ledawid („ein David gewidmetes Lied“, „ein Lied in Davids Auftrag“ oder „ein Lied, das David gehört“) –, bedeutet, dass er sie geschrieben hat und/oder, im Fall von 13 Psalmen, dass andere sie später auf Ereignisse in seinem Leben bezogen haben. So wird Psalm 18 mit den Worten eingeleitet: „Von David, dem Knecht des HERRN, der zum HERRN die Worte dieses Liedes redete, als ihn der HERR errettet hatte von der Hand aller seiner Feinde und von der Hand Sauls“. Und am Anfang von Psalm 51 mit seinem angeblichen Bezug auf Davids Reue über seinen Ehebruch steht: „Ein Psalm Davids, vorzusingen, Als der Prophet Nathan zu ihm kam, nachdem er zu Batseba eingegangen war“.
Wahrscheinlich ist jedoch ein Kern von Psalmen davidischen Ursprungs. Buch 2 schließt mit den Worten „zu Ende sind die Gebete Davids, des Sohnes Isais“ (72, 20); dies deutet darauf hin, dass das Material der ersten beiden Bücher schon eine Einheit gebildet hatte, bevor der Psalter fertiggestellt wurde. Wie das postexilische Buch Chronik überliefert, „bestellte [David] einige Leviten […], dass sie priesen, dankten und lobten den HERRN, den Gott Israels“ (1. Chronik 16, 4). Es merkt an: „Zu der Zeit ließ David zum ersten Mal dem HERRN danken durch Asaf und seine Brüder“ (Vers 7, Tanach). In den Versen 8–36 folgen Wiederholungen der Psalmen 105, 1–15 und 96, 1–13 sowie kürzere Zitate aus anderen Psalmen. Außerdem wird berichtet, dass David viertausend Instrumente für die Leviten anfertigen ließ – „zum Lobgesang“ an jedem Morgen und jedem Abend, den Sabbaten und den jährlichen Feiertagen (1. Chronik 23, 5, 30–31).
Innerhalb der endgültigen Sammlung von 150 Psalmen werden vier weitere bedeutende Sammlungen identifiziert, die sich zum Teil mit den David und Asaf zugeschriebenen überschneiden. Die „koraitischen“ Psalmen 42–49, 84–85 und 87–88 sind Gesänge für den gemeinschaftlichen Gottesdienst, wahrscheinlich unter von Kora abstammenden Leviten entwickelt. Die Psalmen 73–83 werden dem Tempelmusiker Asaf zugeschrieben, 42–83 sind die elohistischen Psalmen, in denen Elohim dem Gottesnamen Jahwe vorgezogen wird, und 120–134 werden als Aufstiegspsalmen bezeichnet, vielleicht wegen des „Hinaufgehens“ nach Jerusalem zur Feier der jährlichen Pilgerfeste. Insgesamt tragen 116 Psalmen eine Art von Überschrift.
„Die Psalmen scheinen in vielen verschiedenen Umgebungen entstanden zu sein, bedingt durch unterschiedliche Zeiten, Orte und Situationen. Zudem ist die Sammlung der Psalmen in sich eine Sammlung von Sammlungen, von denen zumindest einige bereits existierten, bevor das Buch selbst gestaltet wurde.“
Übergreifende Themen
Das erste Buch beginnt mit zwei Psalmen, deren Themen sich durch das ganze Werk ziehen. Dies könnte darauf hindeuten, dass der abschließende Bearbeiter den Ton der endgültigen Sammlung angeben wollte.
Psalm 1 handelt von der Bedeutung des Gehorsams gegenüber der Thora, der Lehre Gottes, ausgedrückt in den Gesetzen, Prinzipien, Beispielen und Narrativen in den ersten fünf Büchern der hebräischen Heiligen Schrift. Dies ist ein Weisheitspsalm, persönlich für den Menschen gedacht, der sich in seiner Lebensweise von der Thora leiten lässt: „Was er macht, das gerät wohl“, während „der Gottlosen Weg vergeht“ (Verse 3, 6).
Das zweite Thema wird in Psalm 2 eingeführt. Es betrifft die zentrale Bedeutung Jerusalems, des Königs David und des Tempels in der Geschichte des alten Israels, aber auch bei der Hoffnung auf einen Messias, der die Feinde Gottes am Ende der Zeit endgültig besiegen wird. Vielleicht von den meisten nicht erkannt, überspannen diese beiden Themen das Leben aller Menschen, denn in einer endgültigen Abrechnung betreffen sie jeden Einzelnen – „Darum bestehen die Gottlosen nicht im Gericht“ – ebenso wie Völker, Könige und Herrscher, die sich bei der Wiederkunft des Messias gegen ihn stellen. „Seid nun verständig […]. Dienet dem HERRN mit Furcht […] und küsst seine Füße mit Zittern, dass er nicht zürne und ihr umkommt auf dem Wege.“ (1, 5; 2, 10–12)
Da das Buch der Psalmen so vielfältig in seinen Zielen und so umfangreich an Inhalt ist, werden hier ausgewählte Teile von Buch 1 betrachtet, mit besonderem Augenmerk auf die übergreifenden Themen, die schon in Psalm 1 und 2 angesprochen werden.
Psalm 3 ist der eigentliche Beginn des ersten Buchs und eröffnet eine Folge von fünf Klageliedern. Wie bereits angemerkt, situiert die Überschrift des ersten Klagelieds David in der Zeit der berüchtigten Rebellion, „als er vor seinem Sohn Absalom floh“ (siehe 2. Samuel 15, 13–17).
Da die Überschriften und historischen Bezüge wahrscheinlich später hinzugefügt wurden, fungierte der Psalm als Prototyp für viele andere, die nicht nur Bedrängnis ausdrücken, sondern auch Vertrauen auf Gott und seine Fähigkeit, die Menschen zu retten. „Viele sagen von mir: Er hat keine Hilfe bei Gott. SELA. Aber du, HERR, bist der Schild für mich, du bist meine Ehre und hebst mein Haupt empor.“ (Psalm 3, 2–3)
Denen, die Gott und seinen Weg suchen, steht er in ihren Nöten bei. Wenn andere ihnen Unrecht tun, dürfen sie nicht zürnen und nachtragend sein. Stattdessen rät der Psalmist: „[R]edet in eurem Herzen auf eurem Lager und seid stille. SELA. Opfert, was recht ist, und hoffet auf den HERRN.“ (4, 5–6) Am Ende werden die Gottlosen nicht triumphieren, denn Gott wird den Gerechten immer retten: „Denn du bist nicht ein Gott, dem gottloses Wesen gefällt; wer böse ist, bleibt nicht vor dir. Die Ruhmredigen bestehen nicht vor deinen Augen; du bist Feind allen Übeltätern. Du bringst die Lügner um; dem HERRN sind ein Gräuel die Blutgierigen und Falschen.“ (5, 5–7)
Es wird Zeiten geben, in denen Gottes Hilfe in der Bedrängnis durch die Gottlosen nicht sofort kommt: „HERR, wie lange!“ (6, 4) Dieser Ausruf unterstreicht die Notwendigkeit von Vertrauen und Geduld in dem unbeirrten Wissen, dass „du, gerechter Gott, prüfest Herzen und Nieren“ und dass das Unrecht, das ein böser Mensch tut, „auf seinen Kopf kommen“ wird (7, 10, 17).
Psalm 8 bricht das Muster der Klagelieder; er ist einer von fünf Schöpfungspsalmen, die über das Buch verteilt sind – die anderen sind die Psalmen 19, 65, 104 und 148. Sie lenken die Aufmerksamkeit des Lesers auf die wichtige, klärende Wahrheit, dass alles in der Schöpfung in Gottes Macht liegt. Der Psalm ragt als Lobeshymne für Gottes Schöpfungswerk heraus, das nicht nur die Wunder der sichtbaren Welt umfasst, sondern auch seine Fürsorge für alle Formen des Lebens auf der Erde, deren Krönung der Mensch ist. „Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott.“ (Psalm 8, 6)
Im Neuen Testament wird dieser Psalm die Basis dafür, die Bestimmung der Menschen in einem erweiterten Sinn zu verstehen – dass sie durch das Kommen Jahwes als Jesus Christus, dessen endgültige Wiederkunft die Errichtung des Gottesreichs auf der Erde signalisiert, Kinder Gottes im Geist werden sollen (Hebräer 2).
„Die Psalmen sind nicht nur das Herz des Alten Testaments; sie sind zentrales Zeugnis und Antizipation Jesu Christi.“
Anklänge an Psalm 1 und 2
Im zehnten Psalm geht es wieder darum, dass die Gottlosen die Ordnung der Gesellschaft untergraben. Er hat keine Überschrift, was nahelegt, dass er ursprünglich eine Fortsetzung von Psalm 9 war. Setzt man die Anfangs- und Schlussverse dieser Psalmen wieder zusammen, so ist ein Teil-Akrostichon aus den Buchstaben des hebräischen Alphabets zu erkennen (aleph, beth in 9, 2, 4 und schin, taw in 10, 15, 17).
Am Anfang wird Gott gepriesen, doch dann tritt das Unglück ein, und Geduld ist nötig. Gott wird die Gottlosen strafen; die Unterdrückten können sich auf ihn verlassen, aber manchmal greift er nicht sofort ein: „HERR, warum stehst du so ferne, verbirgst dich zur Zeit der Not?“ (10, 1) Die Gottlosen meiden Gott und sagen sich dadurch von der Pflicht los, sich um ihre Mitmenschen zu kümmern. Der Psalmist fleht Gott an, den Armen und Unterdrückten gegen die Gottlosen zu Hilfe zu kommen. Er behauptet: „Gott hat’s vergessen, er hat sein Antlitz verborgen, er wird’s nimmermehr sehen.“ (10, 11) Doch am Ende werden die Gerechten zu ihrem Recht kommen, denn nur „die Toren sprechen in ihrem Herzen: ‚Es ist kein Gott.‘“ (14, 1)
Mit der Bestätigung der Rechtschaffenheit in Psalm 15 klingt wieder Psalm 1 an. Als Antwort auf die Überlegung, wer nahe bei Gott leben kann, erinnert der Psalm an die Zehn Gebote. Er definiert zehn Merkmale des gottgefälligen Menschen: „[1] Wer untadelig lebt und [2] tut, was recht ist, und [3] die Wahrheit redet von Herzen, [4] wer mit seiner Zunge nicht verleumdet, [5] wer seinem Nächsten nichts Arges tut [6] und seinen Nachbarn nicht schmäht; [7] wer die Verworfenen für nichts achtet, aber ehrt die Gottesfürchtigen; [8] wer seinen Eid hält, auch wenn es ihm schadet; [9] wer sein Geld nicht auf Zinsen gibt [10] und nimmt nicht Geschenke wider den Unschuldigen. Wer das tut, wird nimmermehr wanken.“
Das übergreifende Thema, dass Gott Gericht halten wird, wenn er kommt, kehrt in der ganzen Sammlung mehrmals wieder (siehe z. B. Psalm 110 und 145), zum ersten Mal jedoch in Psalm 24, wo, wie bereits erwähnt, die zentralen Elemente des ganzen Buchs erneut angesprochen werden: die Verherrlichung Gottes als Schöpfer (Verse 1–2), der Charakter der Menschen, die eine Beziehung mit Gott haben können (Verse 3–6), und das Kommen des Herrn auf die Erde (Verse 7–10).
Das erste der fünf im Psalter enthaltenen Bücher endet mit einer charakteristischen Formel des Gotteslobs: „Gelobt sei der HERR, der Gott Israels, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen! Amen!“
Die nächste Folge befasst sich mit den übrigen vier Büchern und den Kategorien von Psalmen.
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(TEIL 37)