Johannes: Das Ende und der Anfang
VORIGES LESEN
(TEIL 20)
ZUR SERIE
Als der Apostel Johannes niederschrieb, was im Buch Offenbarung überliefert ist, neigte sich sein Leben dem Ende zu. Es war etwa 95 n. Chr., und möglicherweise befand sich Johannes nach seinem Exil auf der nahe gelegenen Insel Patmos wieder in Ephesus. In den beiden vorangegangenen Teilen dieser Serie wurden die einleitenden Botschaften an die sieben Gemeinden behandelt. Im Folgenden wird der Rest des Buchs mit seinen machtvollen apokalyptischen Bildern und Symbolen betrachtet, doch ist dabei zu berücksichtigen, für wen Johannes schrieb – was diese Menschen wussten und erlebt hatten.
DER KONTEXT DER OFFENBARUNG
Nachdem Jesus entrückt worden war, lehrte und praktizierte die Gemeinschaft seiner Anhänger weiter den Glauben an den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, gestärkt mit neuer Erkenntnis durch den heiligen Geist. Sie wussten, dass die hebräische heilige Schrift ein zusammenhängendes Ganzes war. Wenn die sieben Gemeinden und später die gesamte Kirche lasen, was Johannes geschrieben hatte, verstanden sie vieles davon im Zusammenhang mit dieser heiligen Schrift sowie auch mit der jüngeren, mündlich oder schriftlich überlieferten Lehre. Für sie waren die hebräische heilige Schrift und die inspirierten Texte, die folgten, eine Einheit in Praxis und Lehre des Glaubens.
Die einzige Möglichkeit für die Berufenen, die Offenbarung zu verstehen, war mithilfe des heiligen Geistes und im Kontext der übrigen heiligen Schrift. Wenn man die Bibel ganzheitlich liest, steht die Offenbarung in Einklang mit den anderen biblischen Büchern. Das bedeutet, dass der Rahmen und die Aussagen der Offenbarung in wesentlichen Teilen besonders auf Hesekiel (Ezechiel), Daniel, Sacharja, Jesus, Matthäus, Markus, Lukas, Johannes, Paulus, Jakobus, Petrus und Judas zurückverweisen.
So erinnert z. B. die Schilderung von Gottes Thron (Offenbarung 4) an eine ähnliche Vision Hesekiels (Hesekiel 1). In den späteren Kapiteln seines prophetischen Buchs schreibt Hesekiel über das kommende Reich Gottes auf der Erde. Dies zeigt Parallelen zum letzten Kapitel der Offenbarung.
Die bekannten vier apokalyptischen Reiter (Offenbarung 6) erinnern an eine ähnliche Beschreibung des Propheten Sacharja (Sacharja 1 und 6) und die private Antwort Jesu an seine Jünger über das Ende der Zeit in Matthäus 24. Dort bezieht er sich auch auf das Buch Daniel und spezifische künftige Ereignisse im Nahen und Mittleren Osten (Matthäus 24, 15). Außerdem spricht er über seine eigene Wiederkunft in einer Sprache, wie sie in Offenbarung 19 zu finden ist.
Daniels Visionen, in denen verschiedene Reiche, die es im Nahen und Mittleren Osten gab, durch die Statue eines Mannes und durch verschiedene Tiere symbolisiert werden (s. Daniel 2, 7 und 8), finden eine Parallele in Johannes’ Visionen der zusammengesetzten Tiere in Offenbarung 13 und 17.
Der Apostel Paulus schrieb in jedem seiner Briefe, die ebenfalls an sieben lokale oder regionale Gemeinden gerichtet waren – in Thessaloniki, Korinth, Galatien, Rom, Kolossae, Ephesus und Philippi – über die Wiederkunft Christi. Auch Jakobus, Petrus und Judas schrieben in persönlichen Briefen an kleinere Gruppen von Gläubigen, die sie betreuten, über das große künftige Ereignis, das „diesem Zeitalter“ ein Ende bereiten wird. Es liegt in der Natur solcher Mitteilungen, dass sie zunächst für einen kleinen Teil der gesamten Kirche bestimmt sind. Die sieben kleinasiatischen Gemeinden am Ende des 1. Jahrhunderts verstanden die Offenbarung mit ihrer Schilderung der Endzeitereignisse vor dem Hintergrund der gesamten heiligen Schrift.
Es ist eindeutig, dass viele Teile der Bibel so miteinander verbunden sind und übereinstimmen. Wenn wir die einzelnen Punkte zu einem Bild zusammenfügen, wird deutlich, dass Gott eines Tages eingreifen wird, um die Probleme der Menschheit zu lösen. Durch Johannes wurden denen, die Jesus Christus nachfolgen, Einblick in Gottes Plan gegeben, das Reich des Menschen zu beenden und das Reich Gottes zu errichten. Allerdings können sie nicht im Voraus wissen, wie sich jede Prophezeiung erfüllen wird. Sie können allerdings ungefähr wissen, wie die Gesellschaft sich entwickeln wird, bis Gott eingreifen muss. Wann Christus wiederkommt, können sie nicht wissen – das weiß selbst Christus nicht (Matthäus 24, 36). Doch sie können für den Tag gerüstet sein, indem sie auf ihre geistliche Verfassung achten und dann bereit sind (Matthäus 24, 44).
GOTTES THRON
Nach den Botschaften an die sieben Gemeinden wird Johannes in einer Vision durch eine offene Tür zum Thron Gottes entrückt. Aus dieser privilegierten Perspektive kann ihm gezeigt werden, „was nach diesem geschehen soll“ (Offenbarung 4, 1). Dieser Teil der Offenbarung des Johannes endet erst mit Kapitel 6, Vers 17 und ist die längste der sechs Thronszenen (die anderen sind Offenbarung 7, 9-17; 11, 15-19; 14, 1-5; 15, 2-8 und 19, 1-8). Es ist dies die Einführung zu allen übrigen Visionen des Buchs.
In Kapitel 4 sieht Johannes den himmlischen Thron des Vaters, umgeben von einem Regenbogen, der anzusehen ist wie ein Smaragd; davor ein gläsernes Meer wie aus Kristall. Um den Thron stehen vier himmlische Wesen; sie gleichen einem Löwen, einem Stier, einem Menschen und einem Adler. Auch stehen dort 24 weitere himmlische Wesen, die als „Älteste“ bezeichnet werden und Gott gemeinsam mit den vier Wesen am Thron anbeten. Diese Beschreibung des Gottesthrons ist weitgehend eine Variation der Visionen in Hesekiel 1, 4-28 und Jesaja 6; der himmlische Ältestenrat kommt u. a. in 1. Könige 22 sowie Hiob 1 und 2 vor. Johannes berichtet, dass die Ältesten Gott mit den Worten huldigen: „Herr, unser Gott, du bist würdig, zu nehmen Preis und Ehre und Kraft“ (Offenbarung 4, 11). Dies wird der Huldigung der römischen Kaiser entgegengesetzt, die ebenfalls als „unser Herr und unser Gott“ angesprochen wurden. Denn der Gott in Johannes’ Vision hat „alle Dinge geschaffen, und durch [seinen] Willen waren sie und wurden sie geschaffen“ – was kein Kaiser von sich behaupten konnte.
Kapitel 5 führt ein, was Johannes als Nächstes sah und hörte: das Lamm Gottes (Christus) als den Einen, der würdig ist, die sieben Siegel eines geheimnisvollen Buchs in Gottes Hand zu öffnen, und den all die himmlischen Wesen preisen. Daraufhin werden sechs der sieben Siegel unmittelbar geöffnet (Offenbarung 6, 1-17); es folgt ein Zwischenteil (Kapitel 7) und dann die Öffnung des siebten Siegels (Offenbarung 8, 1). Jedes Siegel steht für einen Zustand oder ein Ereignis in Gottes eschatologischem Plan. Der Grund dafür, dass Johannes diese Informationen weitergibt, steht zu Beginn der Offenbarung: „Dies ist die Offenbarung Jesu Christi, die ihm Gott gegeben hat, seinen Knechten zu zeigen, was in Kürze geschehen soll“ (Offenbarung 1, 1).
DIE SIEBEN SIEGEL
Mit der Öffnung der ersten Siegel durch Christus werden vier Pferde und ihre Reiter (Offenbarung 6, 2-8) auf die Erde losgelassen. Das erste Pferd ist weiß; sein Reiter trägt einen Bogen und eine Krone. Der Reiter zieht aus, „sieghaft und um zu siegen“. Für Johannes’ Zeitgenossen musste er als apollähnlicher Sonnengott erkennbar sein und für falsche politisch-religiöse Messiasse stehen. Als Nächstes kommt ein feuerrotes Pferd, dessen Reiter ein großes Schwert trägt – ein Symbol für Krieg in aller Welt. Ihm „wurde Macht gegeben, den Frieden von der Erde zu nehmen, dass sie sich untereinander umbrächten“. Das dritte Pferd ist schwarz; sein Reiter trägt eine Waage, und eine himmlische Stimme kündigt Mangel und Hunger an. Das vierte Pferd ist fahl (von blasser Farbe, braungelb) und symbolisiert Seuchen und Krankheit. Sein Reiter ist der Tod und das Totenreich [das Grab] sein Gefolge. Die apokalyptischen Passagen der synoptischen Evangelien sind hilfreich für die Deutung dieser Pferde und ihrer Reiter. Jesus erklärt, dass seiner Wiederkunft mehrere langfristige Entwicklungen vorausgehen werden, darunter das Auftreten falscher Messiasse, Krieg, Hungersnot und Seuchen (z. B. in Matthäus 24, 3-8; Markus 13, 5-8 und Lukus 21, 8-11).
Als das fünfte Siegel geöffnet wird, rufen die Seelen der Märtyrer Gottes aus allen Zeiten laut nach Rache und fragen, wie lange sie noch warten sollen. Ihnen wird gesagt, dass sie noch eine kleine Zeit ruhen müssen, bis die Zahl der Brüder und Mitknechte, die noch getötet würden, vollzählig sei (Offb. 6, 9-11). Das fünfte Siegel steht also für die Verfolgung der Gemeinde Christi, die in Matthäus 24, 9-10 angesprochen wird.
Die Öffnung des sechsten Siegels (Offenbarung 6, 12-14) wird von einem großen Erdbeben begleitet. Der Himmel wird erschüttert – der Mond wird wie Blut, die Sonne finster, die Sterne fallen herab, und der Himmel weicht zurück wie eine Schriftrolle, die zusammengerollt wird. Dies ist eine Parallele zu den Worten Jesu im Matthäusevangelium: „Sogleich aber nach der Bedrängnis jener Zeit wird die Sonne sich verfinstern und der Mond seinen Schein verlieren, und die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen“ (Matthäus 24, 29).
Vor der Beschreibung der Ereignisse, die mit der Öffnung des siebten Siegels verbunden sind, nennt Johannes zwei besondere Gruppen von Menschen (Offenbarung 7, 1-8, 9-17).
Die erste bilden die 144 000, die Gott (mit einer anderen Art Siegel) vor den schlimmsten Aspekten seines Eingreifens schützt. Dies erinnert an eine Passage im Buch Hesekiel, wo diejenigen, die wegen der Sünde in der Stadt Jerusalem besorgt sind, von einem Engel ebenfalls mit einem Siegel auf der Stirn gezeichnet werden (Hesekiel 9, 4-6). Die 144 000 sind in Gruppen zu je 12 000 aus den zwölf Stämmen Israels aufgeteilt. Die Gesamtheit der so Gezeichneten wird als 12 Stämme x 12 Apostel x 1 000 gedeutet – nicht im Sinne einer exakten Anzahl, sondern als Symbol für die Auserwählten Gottes durch alle Zeiten. In Offenbarung 14, 1-5 erscheinen sie mit Christus auf dem Berg Zion – „die folgen dem Lamm nach, wohin es geht. Diese sind erkauft aus den Menschen als Erstlinge für Gott und das Lamm“ (Vers 4). Wieder wird deutlich, dass Johannes für die Kirche schreibt, ihr mit einem Blick in ihre Zukunft Mut macht.
Die zweite in diesem Zwischenkapitel genannte Gruppe ist viel zahlreicher; diese Menschen erleben die Endzeit der „großen Bedrängnis“ (s. Matthäus 24, 21). Dadurch kommen sie zu einer ewigen Beziehung mit Gott.
Johannes’ Niederschrift über das siebte Siegel erstreckt sich von Kapitel 8, 1 bis Kapitel 11, 19. Diese Länge ist notwendig, um die siebenfache Bedeutung des siebten Siegels darzustellen. Die Öffnung dieses Siegels ist mit sieben verschiedenen Ereignissen verbunden, die von Engeln mit Posaunen angekündigt werden; mit ihr beginnt der Countdown zur Wiederkunft Christi.
DIE SIEBEN POSAUNEN
Sieben Engeln, die vor Gottes Thron stehen, sind sieben Posaunen gegeben. Als die ersten vier Posaunen erschallen, kommen Plagen über die Erde. Zuerst verwüsten Hagel und Feuer, mit Blut vermengt, ein Drittel der Bäume und alles grüne Gras der Erde. Als Nächstes stürzt „etwas wie ein großer Berg mit Feuer brennend“ ins Meer und vernichtet ein Drittel des Meeres, der Meerestiere und der Schiffe. Als der dritte Engel seine Posaune bläst, fällt ein flammender Stern auf die Erde und vergiftet ein Drittel aller Flüsse und Quellen. An dem vergifteten Wasser sterben viele Menschen. Die vierte Plage schlägt die Sonne, den Mond und die Sterne, sodass ihnen ein Drittel ihres Lichts genommen wird. Durch den Himmel fliegt ein Adler und ruft: „Weh, weh, weh denen, die auf Erden wohnen wegen der anderen Posaunen der drei Engel, die noch blasen sollen!“ (Offenbarung 8, 6-13).
Auf den Posaunenstoß des fünften Engels hin (Offenbarung 9, 1-11) fällt ein Stern vom Himmel, der die Macht hat, den Abgrund zu öffnen, und dämonische Mächte auf die Erde loslässt, wo sie fünf Monate lang die nicht mit dem Siegel Gezeichneten quälen, aber nicht töten. Der König der Dämonen wird Abaddon und Apollyon genannt („Verwüster, Vernichter“). Es ist Satan, der Teufel.
Die sechste Posaune bringt weitere Plagen. Vier Engel, die an den Strom Euphrat gebunden waren, werden losgelassen – möglicherweise ein Symbol der vier Völker jener Region. Mit 200 Millionen Reitern sollen sie ein Drittel der Menschheit töten. Aber „die übrigen Leute, die nicht getötet wurden von diesen Plagen, bekehrten sich doch nicht von den Werken ihrer Hände, dass sie nicht mehr anbeteten die bösen Geister und die goldenen, silbernen, ehernen, steinernen und hölzernen Götzen, die weder sehen noch hören noch gehen können, und sie bekehrten sich auch nicht von ihren Morden, ihrer Zauberei, ihrer Unzucht und ihrer Dieberei“ (Vers 20-21).
Ehe die siebte Posaune ertönt, erklären zwei Zwischenkapitel, dass Johannes einen weiteren Auftrag hat – „Du musst abermals weissagen von Völkern und Nationen und Sprachen und vielen Königen“ (bzw. besser „gegen sie“, Offenbarung 10, 11) – und dass zwei Menschen als Zeugen auftreten werden, um die Welt vor Gottes nahem, endgültigem Eingreifen zu warnen (Offenbarung 11, 3-12). Johannes’ Botschaft wird durch ein kleines Buch (Schriftrolle) symbolisiert, das er essen muss und das erst süß, dann bitter ist. Wie dem Propheten Hesekiel, der mit Gottes Wort etwas Ähnliches erlebte (s. Hesekiel 2, 8-3, 3), schmeckt Johannes die Botschaft süß. Doch sie liegt ihm bitter im Magen, weil sie den Menschen schlimme Nachrichten bringt.
Die beiden Zeugen, die dreieinhalb Jahre lang in der Stadt Jerusalem weissagen, bringen ihr auch eine Warnung, doch diese wird nicht beachtet, bis die beiden für ihre Mühen umgebracht werden und dann auferstehen. Erst dann bekehren sich einige Menschen (Offenbarung 11, 13). All dies ist die Vorbereitung für das dritte Wehe[BP1] und die siebte Posaune, bei der mächtige Stimmen verkündigen „Es sind die Reiche der Welt unsers HERRN und seines Christus geworden, und er wird regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (Vers 15).
NOTWENDIGER HINTERGRUND
An diesem Punkt wendet sich Johannes’ Aufmerksamkeit mehreren informativen Szenen zu – weiteren Einschüben in den Fluss der Ereignisse, die ihn zu verzögern scheinen, tatsächlich aber die endgültige Lösung in der Menschheitsgeschichte vorbereiten. Johannes wurde beauftragt, etwas niederschreiben, das nichts Geringeres ist als die Erklärung, warum die Welt so gegen Gott und seine Diener ist; warum sie, abgesehen von wenigen Ausnahmen, nicht von ihrem bösen Tun ablässt und warum der Zorn Gottes über sie kommen muss, ehe es Frieden auf Erden geben kann.
In Kapitel 12 wird die Geschichte des Volkes Gottes wiedergegeben – zuerst als Kinder Israel, spezifisch der Stamm Juda, zu dem Christus zuerst kam, und dann als Kirche des Neuen Bundes, die immer wieder verfolgt wird. Das Symbol für die Gemeinde in der Wüste sowie die Kirche ist „eine Frau, mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen“ (Offenbarung 12, 1); ihr Sohn (Christus) wird getötet, und sie muss in der Wüste unter Gottes Schutz Zuflucht suchen (Vers 6), bis er wiederkommt.
In diesem Kapitel wird auch ein Krieg im Himmel zwischen Satan mit seinen Engeln und den Engeln Gottes beschrieben. Satan wird besiegt und auf die Erde hinabgeworfen. Da es ihm nicht gelingt, die Frau zu töten, die unter Gottes Schutz ist, bekriegt er „die Übrigen von ihrem Geschlecht, die Gottes Gebote halten und haben das Zeugnis Jesu“ (Vers 17). Nun tritt Satan an den Strand des Meeres, und Johannes sieht ein Tier, das aus dem Meer aufsteigt (Vers 18; Offenbarung 13, 1). Das Tier und Satan stehen eindeutig miteinander in Verbindung, denn Johannes berichtet: „Das Tier, das ich sah, war gleich einem Panther und seine Füße wie Bärenfüße und sein Rachen wie ein Löwenrachen. Und der Drache gab ihm seine Kraft und seinen Thron und große Macht“ (Offenbarung 13, 2).
Im Folgenden wird die letzte Manifestation eines politisch-religiösen Systems beschrieben, das die Menschheit und besonders das Volk Gottes seit Urzeiten plagt. Der Prophet Daniel hatte dem babylonischen König Nebukadnezar erklärt, dass ein solches System über vier Reiche Bestand haben würde, von seinem eigenen Königreich bis zum Ende dieses Menschenzeitalters (s. Daniel 2 und 7). Johannes lebte in der vierten großen Manifestation: dem Römischen Reich. Was er in seiner Vision sah, war das gleiche System am Ende der Zeit – nach mehrfachen Wandlungen und Erneuerungen im Lauf der Jahrhunderte. Übereinstimmend mit Daniels Prophezeiung über das Ende menschlicher Regierungsformen (Daniel 7, 13-14 und 2, 44-45) beschreibt Johannes die letzte, globalisierte politisch-religiöse Version des Systems und seinen Untergang (Offenbarung 17 und 18). Die lange Geschichte dieser Weltordnung wird unter dem Titel Messiasse! Herrscher und die Rolle der Religion in Vision Artikelserie demnächst genauer betrachtet.
Ein weiterer Einschub betrifft die 144 000 von Kapitel 7, die mit einem Schutzsiegel gezeichnet sind. Hier erscheinen sie siegreich, wie bereits zuvor erwähnt, mit dem wiedergekehrten Christus auf dem Berg Zion (14, 1-5). Als Nächstes berichtet die Passage von drei Engeln mit drei Botschaften (Vers 6-11). Der erste verkündet der ganzen Erde die frohe Botschaft, dass die Stunde gekommen sei und Gott nun richten werde. Der zweite erklärt, dass das große falsche System, hier „Babylon, die große Stadt“, gefallen sei. Der dritte gibt eine letzte Warnung ab, dass nun die Bestrafung derer komme, die mit dem System verbündet waren. Und dementsprechend wird in der folgenden Passage gezeigt, wie die Bösen für den Tag Gottes von der Erde genommen werden.
DIE SIEBTE POSAUNE
In Kapitel 15 wird die zentrale Handlung fortgeführt, und die siebte Posaune ertönt. Daraufhin gießen sieben Engel aus sieben „Schalen des Zorns“ die sieben letzten Plagen aus (Vers 1-5).
„Der Engel, den ich stehen sah auf dem Meer und auf der Erde, hob seine rechte Hand auf zum Himmel und schwor […] In den Tagen, wenn der siebente Engel seine Stimme erheben und seine Posaune blasen wird, dann ist vollendet das Geheimnis Gottes, wie er es verkündigt hat seinen Knechten, den Propheten.“
Diese schrecklichen Strafen werden in Kapitel 16 detailliert beschrieben. Diejenigen, die sich der Herrschaft des Tieres angepasst haben, bekommen ein „böses und schlimmes Geschwür“. Der zweite Engel gießt seine Schale in das Meer aus, und dort stirbt alles Leben ab. Der dritte Engel rächt das Blut der Heiligen, indem er seine Schale in Flüsse und Quellen leert; dadurch wird das Süßwasser zu Blut. Die Menschen werden von der Hitze der Sonne versengt und verfluchen Gott für diese vierte Plage, aber sie bekehren sich nicht. Der fünfte Engel gießt seine Schale auf den Thron des Tieres aus und stürzt die Menschen in Finsternis, Schmerz und Angst. Doch sie bekehren sich noch immer nicht.
Im Umland des Euphrat werden drei unreine Geister losgelassen, als die sechste Schale ausgegossen ist. Es sind dämonische Wesen, die die Führer der Welt aufhetzen, sich in Armageddon zu sammeln und in den Kampf gegen den wiederkommenden Christus zu ziehen. Die siebte Schale bringt ein großes Erdbeben hervor, das die Städte, Berge und Inseln der Welt umwirft. Riesige Hagelkörner fallen, und wieder verfluchen die Menschen Gott.
Schon in Kapitel 13 hat Johannes auf die religiösen Aspekte der politischen Ordnung angespielt; dort führt er ein Mischwesen aus Lamm und Drachen ein, das dafür sorgt, dass das herrschende Tier angebetet und seine Wirtschaftsordnung eingehalten wird (Offenbarung 13, 11-18). Dieser falsche Prophet repräsentiert ein falsches religiöses System, für das in dem eingeschobenen Kapitel 17 die große Hure steht. Die Hure reitet auf dem politischen Tier – es trägt sie, aber sie lenkt es.
Kapitel 18 beschreibt, was der plötzliche Sturz Babylons bewirkt. Die ganze Welt hat mit der Stadt Handel getrieben, war davon abhängig und handelte unmoralisch, um sich ihre Gunst zu sichern. Gottes Volk aber wird sich von ihr ferngehalten haben. Wenn Babylon fällt, wird es gerettet werden.
Dann wird das Volk Gottes die Hochzeit Christi und seiner Kirche mitfeiern, die hier als Bräutigam und Braut dargestellt werden (Offenbarung 19, 6-9). Zeitgleich mit der Einführung eines tausendjährigen Reich Gottes auf Erden, wird der wahre Christus auf einem weißen Pferd wiederkommen (Vers 11-16).
Nun wird der Erzfeind der Menschheit gefesselt: „Und ich sah einen Engel vom Himmel herabfahren, der hatte den Schlüssel zum Abgrund und eine große Kette in seiner Hand. Und er ergriff den Drachen, die alte Schlange, das ist der Teufel und der Satan, und fesselte ihn für tausend Jahre, […] damit er die Völker nicht mehr verführen sollte“ (Offenbarung 20, 1-3).
Dann werden die toten Getreuen Gottes wieder lebendig, und sie regieren mit Christus die Erde. Erst nach tausend Jahren werden alle anderen wieder lebendig (Vers 5). Am Ende des tausendjährigen Reiches wird der Satan noch einmal für kurze Zeit freigelassen. Er wird noch einmal manche Völker verführen, doch dann besiegt und der ewigen Strafe überantwortet werden (Vers 10).
Nachdem der Satan gebannt ist, wird allen, die je gelebt und Gottes Weg nicht gekannt und nicht befolgt haben, eine Zeit eingeräumt, in der sie sich für ihn entscheiden können (Vers 11-13). Wenn sie es tun, wird ihnen ewiges Leben geschenkt. Entscheiden sie sich dagegen – was ein Leben im Widerspruch zu den Gesetzen, die Glück garantieren, bedeuten würde –, wird Gott in seiner Gnade ihr Dasein beenden. In der Symbolik der Offenbarung werden alle, die sich Gott verweigern, von einem See aus Feuer verzehrt. Dies ist der zweite Tod, von dem es keine Wiederkehr gibt (s. „Die Hölle – Ursprünge einer Vorstellung“).
DER NEUE HIMMEL UND DIE NEUE ERDE
Die letzten beiden Kapitel der Offenbarung sprechen von der Zeit nach der tausendjährigen Herrschaft Christi. Nachdem das Buch primär das Ende des Zeitalters der Menschenherrschaft behandelt hat, wendet es sich nun dem Anfang einer endlosen Zukunft zu. Dies ist die Zeit, in der Gott der Vater bei seinem Volk auf der Erde wohnen wird. Das Neue Jerusalem, ein Symbol für Gottes Thron, wird zur Erde herabkommen (Offenbarung 21, 1-3). In dieser Zeit werden die Probleme dieser Welt für immer vergangen sein: „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen“ (Vers 4).
„Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“
Johannes bekräftigt, dass diejenigen zum Volk Gottes gehören, die sich aus freiem Willen für seinen Weg entscheiden, ihre eigene Natur überwinden und Gottes Wesen annehmen (Vers 7). Diejenigen aber, die sich dagegen entscheiden, verlieren alles: „Die Feigen aber und Ungläubigen und Frevler und Mörder und Unzüchtigen und Zauberer und Götzendiener und alle Lügner, deren Teil wird in dem Pfuhl sein, der mit Feuer und Schwefel brennt; das ist der zweite Tod“ (Vers 8).
Zum Schluss wird Johannes der Strom lebendigen Wassers gezeigt; er ernährt die Bäume des Lebens, deren Blätter allen Heilung bringen. Es wird keine Nacht mehr geben, und alle werden von Gott erleuchtet in seinem Licht leben (Offenbarung 22, 1-5).
DAS ZEUGNIS DES JOHANNES
Johannes beschließt den Bericht über all das, was er gesehen und gehört hat, mit der Erklärung Christi: „Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt, euch dies zu bezeugen für die Gemeinden. Ich bin die Wurzel und das Geschlecht Davids, der helle Morgenstern“ (Vers 16). Auch zitiert er die dreifache Verheißung Christi, dass er bald kommen wird (Vers 7, 12 und 20).
Johannes’ eigene Schlussbemerkung ist eine Mahnung, den Inhalt des Buchs zu bewahren, ohne etwas hinzuzufügen oder wegzunehmen: „Ich bezeuge allen, die da hören die Worte der Weissagung in diesem Buch: Wenn jemand etwas hinzufügt, so wird Gott ihm die Plagen zufügen, die in diesem Buch geschrieben stehen. Und wenn jemand etwas wegnimmt von den Worten des Buchs dieser Weissagung, so wird Gott ihm seinen Anteil wegnehmen am Baum des Lebens und an der heiligen Stadt, von denen in diesem Buch geschrieben steht“ (Vers 18-19).
So endet der letzte Brief des letzten im 1. Jahrhundert noch lebenden Apostels Jesu Christi. Man weiß nichts Definitives darüber, wann oder wie Johannes starb, doch ist aufgrund mehrerer früher Überlieferungen anzunehmen, dass es gegen Ende des 1. Jahrhunderts geschah, möglicherweise in Ephesus.
Aus den Jahrzehnten vor und direkt nach Johannes’ Tod sind wenige schriftliche Zeugnisse erhalten – es ist, als wäre diese Periode der Kirchengeschichte in Nebel gehüllt. Klar ist allerdings, dass die Kirche, die dann wieder auftrat und sich christlich nannte, kaum als die Kirche wiederzuerkennen war, die Christus gegründet hatte. Trotz der Warnungen aller Apostel des 1. Jahrhunderts gewannen, wie es scheint, Gnostiker und sonstige Irrlehrer immer mehr Einfluss, sodass diejenigen, die tatsächlich Christus nachfolgten, schließlich eine verschwindend kleine Randgruppe waren.
LETZTE WORTE
Die Botschaft des Johannes blieb bis ganz zum Ende seines Schreibens konstant: Haltet fest bis zum Ende, und lebt so, wie Jesus Christus gelehrt und vorgelebt hat; verliert nie die Verheißung seiner Wiederkunft und einer besseren Welt aus den Augen.
Wie Johannes haben alle Autoren des Neuen Testaments, die in dieser Serie betrachtet wurden, ihren Schriften bedeutende Schlussbemerkungen angefügt. Sie zeigen einen Einklang von Hoffnung, Zielbewusstsein, Absicht und Lebensweise. Es kann keinen Zweifel daran geben, dass diese ersten Gefährten einen gemeinsamen Glauben lehrten und praktizierten. Ihre Beurteilung der Gesellschaft, die sie umgab, war realistisch, und ihr zentrales Anliegen war, im Licht der Zukunft zu leben. Die folgenden Schlussbemerkungen bilden einen passenden Abschluss dieser Betrachtung ihres Lebens und weisen allen, die ihnen nicht nur zuhören, sondern auch nachgehen wollen, den Weg nach vorn.
Jakobus schreibt seinen Mitgläubigen: „So seid nun geduldig […] bis zum Kommen des Herrn. Siehe, der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und Spätregen. Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen; denn das Kommen des Herrn ist nahe“ (Jakobus 5, 7-8).
Judas zeigt den Gegensatz zwischen der Lebensweise der Welt und der Lebensweise der Gläubigen auf und rät: „Ihr aber, meine Lieben, erbaut euch auf euren allerheiligsten Glauben und betet im heiligen Geist, und erhaltet euch in der Liebe Gottes und wartet auf die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus zum ewigen Leben“ (Judas 20-21).
Paulus spricht in einem Brief an seinen Helfer Timotheus eine zeitlose Wahrheit an: „Alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, dass der Mensch Gottes vollkommen sei, zu allem guten Werk geschickt“ (2. Timotheus 3, 16-17).
Und Petrus mahnt, nachdem er gezeigt hat, dass das Kommen des Reich Gottes gewiss ist: „Ihr aber, meine Lieben, weil ihr das im Voraus wisst, so hütet euch, dass ihr nicht durch den Irrtum dieser ruchlosen Leute samt ihnen verführt werdet und fallt aus eurem festen Stand. Wachset aber in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Heilands Jesus Christus. Ihm sei Ehre jetzt und für ewige Zeiten! Amen“ (2 Petrus 3, 17-18).