Israel im Exil

Wie in früheren Teilen dieser Serie gezeigt, wurden die alten Israeliten seit Moses Zeiten gewarnt, dass Götzenkult ihren Untergang als Volk nach sich ziehen werde. In den folgenden Jahrhunderten bekamen sie immer wieder ähnliche prophetische Warnungen, doch sie zogen es vor, den Göttern der Nachbarvölker anzuhängen. Die Folgen sind absolut vorhersehbar.

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(TEIL 21)

ZUR SERIE

In der letzten Ausgabe wurde das weitere Abgleiten des nördlichen Israel in Untreue gegenüber Gott veranschaulicht, speziell unter dem Haus Jehu in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts v. Chr. bis zu der Herrschaft des Königs Joasch (800–784).

Ein ähnliches Muster der Untreue entwickelte sich unter König Amazja, dem neuen Herrscher über das südliche Reich Juda. Obgleich der König von Juda „tat, was dem HERRN wohlgefiel“,war er nicht vollkommen loyal, denn er ließ die heidnischen Altäre und „Höhen“ (Heiligtümer auf Anhöhen), wo das Volk weiterhin Götzendienst trieb, nicht entfernen. Gemäß dem Gesetz Moses, das ausdrücklich forderte, dass die Menschen die Folgen ihrer eigenen Sünden tragen sollten, verschonte er die Kinder der Mörder seines Vaters; doch als er die benachbarten Edomiter besiegt hatte, kam er mit deren Göttern zurück und begann sie anzubeten (2. Könige 14, 1-7; 2. Chronik 25, 1-4, 14).

Trotz der Warnung eines ungenannten Propheten beharrte Amazja auf seinem eigenen Weg. Da wusste der Prophet, „dass Gott beschlossen hat, dich zu verderben“ (2. Chronik 25, 15-16).

Ermutigt durch seinen jüngsten Triumph in Edom, provozierte Amazja dann einen törichten Krieg gegen seinen israelitischen Gegenpart im Norden – König Joasch. Wegen seines Hochmuts und seiner Liebäugelei mit den edomitischen Gottheiten erging es Amazja übel: Joasch nahm ihn gefangen und zog mit ihm zurück nach Jerusalem, riss einen Teil der Stadtmauer nieder und nahm Geiseln, den Tempelschatz und den Schatz des königlichen Haushalts mit (2. Chronik 25, 20-24; 2. Könige 14, 8-14). Gedemütigt, aber frei, um weiter als König im Süden zu herrschen, überlebte Amazja Joasch etwa 15 Jahre. In dieser Zeit und weitere 26 Jahre regierte Joaschs Sohn Jerobeam II. die nördlichen Stämme.

Als Strafe für seinen Abfall von Gott fiel Amazja letztlich einer internen Verschwörung in Juda zum Opfer und wurde ermordet. Sein Sohn und Nachfolger Asarja, auch Usija genannt, war damals erst 16 Jahre alt. Bemerkenswerterweise baute dieser bald den Seehafen Elat am Roten Meer wieder auf und gab ihn Juda zurück. Er herrschte insgesamt 52 Jahre; oft nahm er sich die guten Seiten seines Vaters zum Vorbild (2. Chronik 25, 27; 2. Könige 14, 19-22, 15, 1-2). Es wird überliefert: „Er suchte Gott, solange Secharja [nicht der Kleine Prophet] lebte, der ihn unterwies in der Furcht Gottes; und solange er den HERRN suchte, ließ es ihm Gott gelingen“ (2. Chronik 26, 5).

Usija wurde in der Region berühmt für seine Förderung der Landwirtschaft, seine Bauprogramme und sein militärisches Können. Doch auch er versäumte es, die Heiligtümer auf den Höhen zu entfernen, und wurde hochmütig. In seiner Arroganz versuchte er, auf dem Altar des Tempels Weihrauch zu verbrennen, was allein den Priestern vorbehalten war, und dies erwies sich als großer Wendepunkt in seiner Herrschaft. Er wurde mit Aussatz geschlagen, sodass er in Isolation leben musste, während sein Sohn die täglichen Regierungsgeschäfte besorgte (2. Könige 15, 3-5; 2. Chronik 26, 6-21).

Nach den Königen Saul, David und Salomo zerfiel das alte Königreich Israel in ein nördliches Reich (Israel) und ein südliches Reich (Juda). Hier eine Liste der Könige, die über das geteilte Reich herrschten. *Daten sind annähernde Angaben; alle Daten v. Chr.

Adaptiert von A Biblical History of Israel von Iain Provan, V. Philips Long und Tremper Longman III (2. Aufl. 2015).

Warnungen durch Propheten

Der Prophet Amos wird in Verbindung mit Usija und den letzten Tagen Jerobeams II. erwähnt (Amos 1, 1). Er war zwar Judäer, aber seine Botschaft galt in erster Linie den Israeliten im Norden; ihnen kündigte er an, dass ihnen die Gefangenschaft bevorstehe. In zweiter Linie wandte er sich gegen die Sünden Judas und mehrerer Nachbarvölker. Amos zählt zu den zwölf „Kleinen Propheten“ der Bibel, weil das Buch Amos relativ kurz ist.

In Usijas letztem Jahr erhielt der berühmte Prophet Jesaja seinen Auftrag von Gott (Jesaja 6, 1-9). Er sprach während der Regierungszeiten der judäischen Könige Jotam, Ahas und Hiskia (Jesaja 1, 1) und übermittelte die Botschaft vom kommenden Niedergang Judas und Jerusalems, von dem erwarteten Messias und dem künftigen Reich Gottes.

Etwas später wirkte Hosea, ein weiterer Prophet, der sich hauptsächlich auf das nördliche Königreich Jerobeams II. konzentrierte; doch auch er wird in Verbindung mit den Königen Usija, Jotam, Ahas und Hiskia von Juda erwähnt (Hosea 1, 1). Auch seine Weissagungen dienten vor allem dem Zweck, die nördlichen Stämme – häufig kollektiv als „Ephraim“ bezeichnet – vor ihrer kommenden Vernichtung und Gefangenschaft zu warnen.

Während Jerobeams Herrschaft sprach Gott auch durch den Kleinen Propheten Jona. Er ist vor allem bekannt für seinen Versuch, sich der prophetischen Mission zu der bedeutenden Regionalmacht Assyrien und ihrer Hauptstadt Ninive zu entziehen, bei dem er die berühmte Begegnung mit dem riesigen Fisch hatte (Jona 1-3). Zu Jonas großem Bedauern taten die Assyrer auf seine öffentlichen Warnungen hin Buße und entgingen der Bestrafung; ihr späterer Überfall auf Israel und die Verschleppung seiner Einwohner wurden fürs Erste verhindert. Jona hätte lieber ihre Vernichtung gesehen als die Erfüllung seiner Erwartung, was sie seinem eigenen Volk einmal antun würden. Doch Gott schalt ihn wegen seiner Unbarmherzigkeit: „Und mich sollte nicht jammern Ninive, eine so große Stadt, in der mehr als hundertundzwanzigtausend Menschen sind, die nicht wissen, was rechts oder links ist, dazu auch viele Tiere?“ (4, 11)

Die Propheten […] verstanden sich selbst als Sprachrohr für Jahwe, der durch sie sein Volk aufrief, zum Gehorsam gegenüber dem Bund zurückzukehren, den er ihm viele Jahrhunderte zuvor gegeben hatte.“

Douglas Stuart, Word Biblical Commentary, Vol. 31: Hosea-Jonah

Jona sagte auch voraus, dass Israel die Gebiete von Hamat bis zum Toten Meer zurückerobern würde (2. Könige 14, 25). Welche von diesen beiden prophetischen Missionen die erste war, ist nicht bekannt, doch sind sie möglicherweise miteinander verbunden. Dass Ninive bereit war, auf das Wort eines israelitischen Propheten zu hören, dass Israel Land zurückgewann sowie die kommentierenden Aussagen „Der HERR sah den bitteren Jammer Israels an, dass sie allesamt dahin waren und kein Helfer in Israel war“ und „Der HERR hatte nicht gesagt, dass er den Namen Israels austilgen wollte unter dem Himmel, und errettete sie durch Jerobeam“ (14, 26-27), könnten erklären, warum die Assyrer in der Zeit Jerobeams II. nicht angriffen. Zwar war dessen Herrschaft vergleichbar mit der seines gleichnamigen, sündigen Vorläufers, der Israel in der Zeit der Abtrennung von Juda zum Götzendienst verführt hatte; dennoch beschloss Gott in seiner Barmherzigkeit, Israel noch nicht zu Fall zu bringen.

Der Anfang vom Ende Israels

Nach dem Tod Jerobeams II. folgte ihm sein Sohn Secharja nach, der nach nur sechs Monaten von Schallum ermordet wurde. Dadurch erfüllte sich die Prophezeiung Gottes an Jehu, er werde nur vier Generationen von Nachfolgern haben (2. Könige 10, 30 und 15, 12). Schallum hielt sich lediglich einen Monat in Samaria, ehe er seinerseits von Menahem ermordet wurde. Dieser regierte die nächsten zehn Jahre und setzte die heidnischen Praktiken Jerobeams I. fort. Nun war es so weit, dass die Assyrer unter Tiglat-Pileser (auch Pul genannt) gegen Israel zogen und es angreifen wollten. In verzweifeltem Bemühen um Frieden mit den Assyrern gab Menahem Pul tausend Talente Silber, die er sich danach von den Wohlhabenden in Israel zurückholte. Für den Moment gab sich der Assyrerkönig damit zufrieden, und sein Heer kehrte zurück nach Ninive (15, 13-20).

Als Nächster kam Menahems Sohn Pekachja, der zwei Jahre herrschte, um dann von Pekach ermordet zu werden. Dieser wurde König und bekam es mit einem zweiten Besuch von Tiglat-Pileser zu tun. Dieses Mal nahm sich der Assyrer Land und Leute in Nord- und Ostisrael, darunter „Ijon, Abel-Bet-Maacha, Janoach, Kedesch, Hazor, Gilead und von Galiläa das ganze Land Naftali und führte sie weg nach Assyrien“ (Vers 29).

Während Pekachs Herrschaft war Jotam im Süden König von Juda. Ähnlich wie die seines Vaters Usija wird seine Herrschaft positiv beurteilt. Er war ein erfolgreicher Erbauer von Städten und Verteidigungsanlagen, unterwarf die Ammoniter und machte sie tributpflichtig. Doch wie mehrere andere Könige versäumte auch er es, die Heiligtümer auf den Höhen zu entfernen und den Götzendienst dort zu verhindern. Es wird berichtet: „Das Volk aber handelte noch immer böse.“ Nun ließ Gott zu, dass sowohl Aram (heutiges Syrien) als auch Israel Juda unter Druck setzten (2. Könige 15, 32-37; 2. Chronik 27, 1-6). Drei Jahre vor dem Ende der Herrschaft Pekachs starb Jotam, und sein Sohn Ahas folgte ihm nach.

Der Kleine Prophet Micha sprach während der Herrschaft des judäischen Königs Jotam und seiner Nachfolger Ahas und Hiskia, aber seine Botschaften waren sowohl für Samaria als auch für Jerusalem bestimmt (Micha 1, 1).

Von höchster Bedeutung für den Autor ist bei seiner Darstellung der Prophetie die Erfüllung des prophetischen Wortes in der Geschichte der beiden Völker, im Guten wie im Bösen.“

T.R. Hobbs, Word Biblical Commentary, Vol. 13: 2 Kings

Ahas erwies sich während seiner 16-jährigen Regierungszeit als Götzendiener und „wandelte in den Wegen der Könige von Israel“. Er praktizierte sogar die rituelle Opferung von Kindern – einschließlich seiner eigenen. Die Aramäer und die Israeliten vom Norden griffen erneut an, und obgleich sie Jerusalem nicht einnehmen konnten (siehe Jesaja 7, 1-6), nahmen sie viele Einwohner Judas gefangen und verschleppten sie nach Damaskus und Samaria. Sie töteten den Sohn des Königs, vertrieben Juda aus Elat und übergaben es wieder an die Edomiter. Als ein Prophet den nördlichen Stämmen jedoch eine Warnung Gottes überbrachte, ließen sie ihre Gefangenen wieder frei (2. Könige 16, 3-6; 2. Chronik 28, 1-15).

Ahas’ Reaktion auf den Angriff war ein Hilfeersuchen an Tiglat-Pileser; als Bezahlung ließ er ihm Schätze aus dem Tempel und seinem eigenen Haushalt bringen. Die Assyrer taten zunächst nichts, um zu helfen, doch dann eroberten sie Damaskus, verschleppten einen Teil der Einwohner und töteten Rezin, den König von Aram.

Danach besuchte Ahas Tiglat-Pileser in Damaskus. Dort sah er einen Altar, den er nachbauen und im Tempelbezirk von Jerusalem aufstellen ließ; den ehernen Original-Altar ließ er zur Seite versetzen. Das Original nutzte er, wenn er Orakel brauchte, aber die täglichen Opfer aller Art hatten die Priesterschaft auf dem neuen Nachbau des Altars von Damaskus darzubringen. Außerdem führte er weitere Veränderungen des Tempelbezirks ein, zum Teil wohl aus Ehrerbietung vor dem Assyrerkönig, dem Eroberer Nordostisraels, dem er nun untertan war. Am Ende fiel er ganz von Gott ab, opferte den Göttern der Aramäer und baute ihnen überall in Israel Altäre (2. Könige 16, 7-18; 2. Chronik 28, 16-25).

Der Fall des nördlichen Reiches

Im Norden hatte Pekachs Herrschaft ein unrühmliches Ende gefunden, als Hoschea eine Verschwörung gegen ihn anzettelte, ihn ermordete und selbst den Thron bestieg (2. Könige 15, 30). Dieses Ereignis im Jahr 731 v. Chr. war der Anfang vom Ende für das nördliche Königreich. Vier Jahre darauf wurde Salmanassar König von Assyrien. Hoschea zahlte zunächst bereitwillig Tribut, um einen Krieg mit den Assyrern zu vermeiden. Doch nach einigen Jahren verbündete er sich heimlich mit Ägypten und weigerte sich, Assyrien weiterhin Tribut zu zahlen. Salmanassar kam ihm auf die Schliche und begann eine dreijährige Belagerung Samarias (17, 3-5).

Das Ende kam, „und im neunten Jahr Hoscheas eroberte der König von Assyrien Samaria und führte Israel weg nach Assyrien und ließ sie wohnen in Halach und am Habor, dem Fluss von Gosan, und in den Städten der Meder“ (Vers 6). Dies geschah um 722-721 v. Chr., als Sargon II. den Thron usurpierte und sich zum Nachfolger Salmanassars machte. 

Nördliches Königreich Israel, Verschleppung nach Assyrien, spätes 8. Jahrhundert v. Chr.

Adaptiert von Bound for Exile: Israelites and Judeans Under Imperial Yoke von Mordechai Cogan (2013).

Einige assyrische Quellen erwähnen, dass Sargon, nicht Salmanassar, die Israeliten verschleppte. Wie ist das zu verstehen? Es könnte sein, dass Sargon die Liste seiner Großtaten erweitern und seine Herrschaft legitimieren wollte und dass er aus diesem Grund den Erfolg seines Vorgängers miteinbezog. Es könnte auch sein, dass der biblische Bericht eine vereinfachte Version der Ereignisse ist, deren Hauptaugenmerk dem Auslöser von Israels Zusammenbruch gilt.

Jedenfalls gibt der Autor von „2. Könige“ den Grund für das Ende des Königreiches und das Exil an: die Anbetung fremder Götter, die Errichtung der Höhen für den Götzenkult, die verstockte Weigerung, sich zu ändern, die Abtrünnigkeit vom Gesetz Gottes sowie Hexerei und Wahrsagerei (Verse 7-18). Er schließt: „So wurde Israel aus seinem Lande weggeführt nach Assyrien bis auf diesen Tag“ (Vers 23). Etwa 300 Jahre später erwähnt der Autor der Chronik, dass nicht die gesamte Bevölkerung verschleppt worden war: Es gab noch Errettete, „die die Könige von Assur von euch übrig gelassen haben“ (2. Chronik 30, 6; vgl. auch 34, 9).

Das südliche Reich stellte wahrscheinlich den größten Teil dessen dar, was vom alten Israel geblieben war, doch „auch Juda hielt nicht die Gebote des HERRN, seines Gottes“ (2. Könige 17, 19). Schließlich sollten auch seine Einwohner ins Exil gezwungen werden.

In der Zwischenzeit wurde das eroberte Land im Norden durch Zwangsumsiedlung anderen gegeben, wie es Praxis der Assyrer war. Der König von Assyrien „ließ Leute von Babel kommen, von Kuta, von Awa, von Hamat und Sefarwajim und ließ sie wohnen in den Städten von Samarien an Israels statt. Und sie nahmen Samarien ein und wohnten in seinen Städten“ (Vers 24).

Diese neuen Bewohner behielten ihre jeweiligen heidnischen Kulte und die Götter ihrer Herkunftsregionen bei. Als sie in Not gerieten, meinten sie, sie müssten die einheimischen Götter Samariens besänftigen, wussten aber nicht, wie. Die Lösung des Assyrerkönigs bestand ironischerweise darin, einen vertriebenen Priester zurückzuholen, um sie zu unterweisen (Verse 26-28). Zur Erinnerung: Jerobeam hatte seine eigenen Priester und eine korrupte Form der Religion etabliert, als Israel sich erstmals von Juda trennte (1. Könige 12, 26-33); Israels Priester waren selbst weit von Gott abgewichen, und dies war der eigentliche Grund für das Exil des Volkes gewesen.

Der Wert dieser Lösung erwies sich jedenfalls als zweifelhaft; nachdem sie einiges gelernt hatten, setzten die neuen Bewohner eigene Priester ein und praktizierten dann ein Gemisch aus Religionen: „So fürchteten diese Völker den HERRN und dienten zugleich ihren Götzen. Auch ihre Kinder und Kindeskinder tun, wie ihre Väter getan haben, bis auf diesen Tag“ (2. Könige 17, 29-33, 41).

In der nächsten Folge erleidet Juda das gleiche Schicksal wie seine Vettern im Norden

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