Gegen den intellektuellen Strom der Zeit

Die letzte Folge der Reihe lässt noch einmal die Ideen Revue passieren, die Wissenschaft und Religion scheinbar hoffnungslos entzweit haben. Können Glaube und Verstand zusammen existieren? 

VORIGES LESEN

(TEIL 4)

ZUR SERIE

Unser Verstand ist durch einen außerordentlichen, blinden und unvernünftigen Glauben an ein System fantastischer und lebensfeindlicher Ideen aus dem 19. Jahrhundert vernebelt worden.“

In den letzten vier Teilen dieser Serie haben wir in Vision sechs dominante Theorien unserer Zeit betrachtet, und dieses Zitat des Wirtschaftswissenschaftlers E.F. Schumacher hat als Rahmen für die Serie gedient. Die Theorien stammten von Männern, die ihre Spekulationen bekannt machten, bis aus ihnen die Begriffe wurden, die unser Denken und unsere Sprache formen. Die Serie hat uns daran erinnert, dass Ideen in der Tat die mächtigsten Dinge der Welt sind. Wenn sie gut sind, nützen sie uns allen; schlechte Ideen oder Theorien hingegen können verheerende Auswirkungen haben, wenn sie allgemein angenommen werden.

Zur Erinnerung: Die sechs Theorien sind Charles Darwins Evolutionstheorie und der damit verbundene Mechanismus der natürlichen Selektion; Karl Marx' Theorie und Praxis des dialektischen Materialismus; Sigmund Freuds psychoanalytische Theorie von der menschlichen Psyche; der Positivismus als philosophische Grundlage der wissenschaftlichen Methode und der Relativismus, der besagt, dass es nichts Absolutes gibt. Diese einflussreichen Theorien und ihre Verfechter haben einiges gemein: Wissenschaft und Wissenschaftler als höchste Richter über wahres Wissen, die Ablehnung des Metaphysischen und das Ende der Bedeutung Gottes im menschlichen Leben.

Darwins Lehre von der Evolution, die durch Zufall in einer unbelebten chemischen Ursuppe begann, hat den Menschen zu nichts weiter als einer zufälligen Anordnung von Atomen gemacht. Doch obwohl dieses Modell der Entstehung des Menschen weltweit akzeptiert wird, beunruhigt es uns in unserem Innersten, dass es die Entstehung der komplexen und weitgehend unergründeten Vorgänge des menschlichen Geistes nicht wirklich erklärt. Wir sollen glauben, dass theoretische Dinge wie ein „punktuiertes Gleichgewicht“ oder „Quantensprünge“ in der Evolution erklären, warum sich das menschliche Gehirn qualitativ erheblich von Tiergehirnen der gleichen Größe unterscheidet. Doch warum haben diese Tiergehirne nicht das gleiche Intelligenzniveau erreicht, obwohl sie angeblich den gleichen Evolutionsprozess durchlaufen haben?

Darwin stellte auch die Hypothese auf, dass der Evolutionsmechanismus in der natürlichen Selektion bestand: Nur die Stärksten überleben im Wettbewerb mit den anderen und können somit ihre Eigenschaften vererben. Die Gleichsetzung des Stärksten mit dem Besten rechtfertigte den Sozialdarwinismus unter Hitlers Schreckensherrschaft: In der bewussten Absicht, eine Herrenrasse zu züchten, wurde „lebensunwertes Leben“ systematisch ausgemerzt. Und wenn die Auffassung, Konkurrenzkampf in der Natur sei natürlich und gut, unreflektiert auf das menschliche Leben übertragen wird, dann gibt es keinen ethischen Schutz gegen eine Wirtschaftsordnung des rücksichtslosen Wettbewerbs unter dem Motto: „Einer frisst den anderen“. Beispielhaft dafür sind die Motivationen der Hintermänner der Börsenkräche und der Skandale bei Enron und WorldCom, aber auch die Zerstörung des Amazonasbeckens und Dutzende von Umweltkatastrophen, an denen sich einige wenige bereichern.

Ein Zeitgenosse Darwins war Karl Marx. Mit seiner Ansicht, die Wirtschaftsordnung seiner Zeit, ja der gesamten menschlichen Geschichte sei ausbeuterisch, hatte Marx nicht ganz Unrecht. Er hatte einfach eine Eigenschaft der Natur des Menschen erkannt: Sie ist im Wesentlichen egoistisch. Mit dem Schluss, alles menschliche Handeln - selbst höhere kulturelle und religiöse Interessen - seien Mittel, mit denen die privilegierten Klassen die wirtschaftlich Benachteiligten knechteten, setzte er alle diese Aktivitäten und die ihnen zugrunde liegenden Überzeugungen herab. So waren das Christentum und die Göttlichkeit seines Gründers für Marx und seine Anhänger bloße Illusionen. Das Ergebnis seines Systems war eine gewalttätige, zerstörerische kommunistische Weltordnung, wo Glaube an Gott als Gräuel angesehen wurde.

So wie Marx glaubte, den wirtschaftlichen Menschen ausgemacht zu haben, meinte Freud, mit seinen Theorien über unterbewusste psychische Vorgänge alles menschliche Handeln anhand einer machtvollen, verborgenen Sexualität erklären zu können. Die Auswirkungen dieser Theorie auf das moderne Leben sind nicht zu unterschätzen. Wenn wir über Traumanalyse, die latenten Nachwirkungen unserer Kindheit, den „Freudschen Versprecher“, unbewusste Motivationen, Vaterfiguren und verdrängte Erinnerungen sprechen, denken wir in Freudschen Kategorien. Doch diese basierten auf seiner Beobachtung und Behandlung einiger weniger psychisch Kranker im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Seine Nachfolger in der Psychoanalyse haben seine Ideen zum Teil bestätigt und zum Teil verworfen. Heute ist man allgemein der Ansicht, dass seine Folgerung, die kindliche und jugendliche Sexualität sei die Triebfeder alles menschlichen Verhaltens, verkehrt war. Die Auswirkungen des Freudschen Denkens auf das menschliche Verhalten blieben jedoch höchst schädlich. Seine Ansicht, Gott sei eine irrelevante, erfundene Vaterfigur, die es zu entfernen galt, damit der Mensch frei werde, hat Millionen Menschen geschadet. Die darauf folgende überstürzte sexuelle Befreiung und die Zerstörung des Familienlebens, die damit einherging, haben fast ein Jahrhundert lang tragische Folgen gehabt.

Die letzen beiden Ideen aus dem 19. Jahrhundert, die die nachfolgenden Generationen heimsuchten, haben den Lehren Darwins, Marx' und Freuds den philosophischen Unterbau geliefert. Alle drei Männer sahen sich als Praktiker der wissenschaftlichen Methode, die sich auf der Suche nach der Wahrheit ausschließlich auf die Beobachtung stützt. Anders gesagt, ohne Daten, die mit den fünf Sinnen beobachtet und gesammelt werden, kann es kein gültiges Wissen geben. Dies ist die Philosophie des Positivismus, die aller wissenschaftlichen Forschung zugrunde liegt. Von Gott inspirierte Wahrheiten misst sie keinerlei Wert bei. So wird die Bibel zu einer Sammlung hebräischer Mythen - trotz ihrer tief greifenden Bedeutung für die Moral, eine stabile Gesellschaft und ein glückliches Familienleben und trotz ihrer Anleitungen für moralisches Handeln und für die Selbstaufopferung im Dienst am Nächsten.

Die letzte der einflussreichen, aber schädlichen Theorien ist die des Relativismus, der lehrt, dass es im Moralischen nichts Absolutes gibt. Millionen verwechseln Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie mit dem Relativismus — der irrigen Ansicht, es gebe keine absoluten Standards für menschliches Verhalten — und sitzen der Lüge auf, sie könnten alles tun, was sie wollen, ohne moralische Grenzen einhalten zu müssen, wenn es ihre persönlichen Wünsche befriedigt. Der logische Positivist Bertrand Russell, den wir in dieser Serie bereits zitiert haben (als Gegner der Religion), hat auch gesagt: „Ein bestimmter Typus hoch stehender Menschen sagt gern, alles sei relativ. Das ist natürlich Unsinn, denn wenn alles relativ wäre, gäbe es nichts, zu dem es relativ sein könnte.“ Wie schon andere bemerkt haben, ist das so, als sagte man, alles sei größer. Moralische Relativisten sagen auch oft, solange wir niemandem dabei schaden, wenn wir uns unsere Befriedigung verschaffen, könnten wir kein Unrecht tun. Doch so einfach ist das nicht. Alles, was wir tun, hat Auswirkungen auf andere, denn wir leben in einer Matrix menschlicher Beziehungen. Einstein wäre der Letzte gewesen, der dem Relativismus zugestimmt hätte. Er war fest davon überzeugt, dass es das moralisch Absolute gibt.

Wenn alles relativ wäre, gäbe es nichts, zu dem es relativ sein könnte.“

Bertrand Russell

GOTT BEOBACHTEN 

Jede dieser sechs Theorien hat den Glauben an das höchste Wesen, in den Plan Gottes und die menschliche Bestimmung jenseits des Gegenwärtigen untergraben oder zerstört. Das Metaphysische ist out; das Physische ist in und ist alles, was zählt. Dementsprechend ist Spiritualität für viele eine Fiktion, eine Krücke für die Schwachen und irrelevant für das Hier und Jetzt.

Dieser Konflikt ist als Kampf zwischen Religion und Wissenschaft, zwischen Glauben und Verstand bezeichnet worden. Doch wie der Essayist und Mathematiker James Newman es im 20. Jahrhundert ausdrückte, geht es bei dem Antagonismus zwischen Wissenschaft und Religion eigentlich darum, dass die Wissenschaft mit der Religion um die Macht über die Menschen konkurriert. Dabei wird suggeriert, Wissenschaft sei vernünftig und rational, Religion hingegen unvernünftig und irrational; Wissenschaft beruhe auf beobachtbaren Fakten, Religion hingegen nicht. Wie wir sahen, hat Wissenschaft jedoch durchaus einen metaphysischen Aspekt. „Wissenschaftliche“ Ideen beginnen in subjektivem Spekulieren. Darwin, Marx und Freud begannen, indem sie Theorien aufstellten. Dann suchten sie nach Beweisen, die ihre Theorien stützten. Jeder von ihnen meinte, überzeugende Beweise gefunden zu haben, und trotzdem wurden ihre „Befunde“ von späteren Wissenschaftlern und Denkern infrage gestellt. Wie Schumacher schrieb: Wir haben diese unbewiesenen „wissenschaftlichen“ Ideen geglaubt. Aber es ist ein unvernünftiger, blinder Glaube - die Art Glaube, die Nichtglaubende den Gottgläubigen vorwerfen. So fallen die Richter des religiösen Glaubens ihrem eigenen Urteil anheim.

In den 1990er-Jahren überschritt Patrick Glynn die imaginäre Grenze zwischen Vernunft und Glauben. Als Student in Harvard und Cambridge in den späten 60ern und den 70ern wurde Glynn durch die intellektuelle Standardnahrung, die man damals zu servieren pflegte, zum Atheisten. Die Geschichte ist nicht ungewöhnlich. Meine eigene Erfahrung entspricht dem, was Glynn in God: The Evidence berichtet. Ich erinnere mich, wie ich etwa zur gleichen Zeit eine Vorlesungsreihe über Gottesbeweise hörte. Leider wurde kein einziger Beweis vorgestellt, nur Gründe, Gottes Existenz zu bezweifeln oder zu leugnen. Doch nach mehreren Jahren begann Glynn, wie auch ich, am Zweifel zu zweifeln und erkannte, dass es viele Fragen gibt, die der Skeptizismus nicht beantworten kann.

Es gibt viele Fragen über die Existenz Gottes, die der Skeptizismus nicht beantworten kann.

Wie erklären wir zum Beispiel, dass das Universum letztlich doch nicht so chaotisch ist und dass es von der ersten Nanosekunde nach dem (vermuteten) Urknall an perfekt für die Entstehung des menschlichen Lebens und aller Dinge, die wir kennen, arrangiert worden sein muss? Dieser Gedanke stellt die Vorstellung infrage, das Leben sei ein Produkt des Zufalls. Denn die gleiche Wissenschaft, die den Tod Gottes verkündete, hat nun erkannt, dass die Eigenschaften und Werte des Universums so fein aufeinander abgestimmt sind, dass nichts, was wir kennen, ohne diese Ordnung existieren könnte. Anders ausgedrückt, die Bedingungen auf diesem Planeten sind perfekt für menschliches und anderes Leben. Dieses „anthropische“ Prinzip deutet stark darauf hin, dass das Universum im Hinblick auf die Menschheit geschaffen wurde. Wie Glynn anmerkt, sind einige nichtreligiöse Wissenschaftler hierüber nicht glücklich, weil es offenbar nahe legt, dass hinter allem letztlich doch ein Planer stecken könnte. Deshalb setzen sie die Behauptung dagegen, unser Universum sei nur eines von Milliarden Paralleluniversen, die wir nicht sehen können und nie entdecken werden. Ein solches Argument ist schwer zu halten, wenn wir niemals erfahren werden, ob solche Universen wirklich existieren; vielleicht ist es ein globaler Fall von „Des Kaisers neue Kleider“! Der Philosoph und Mathematiker Alfred North Whitehead sagte einmal, die wissenschaftliche Theorie könne die Vernunft zu ihrem eigenen Schaden überholen. Es ist mit Sicherheit logischer, uns mit dem einen Universum zu befassen, das wir tatsächlich kennen und entdecken.

An Gott zu glauben erfordert Glauben, aber keinen blinden Glauben. Im Brief an die Hebräer heißt es: „Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht“ (Hebräer 11, 1). Glaube ist die Unterstützung, das Fundament dessen, was wir hoffen; er ist der Beweis für die Dinge, die wir nicht sehen können. Der Schöpfer des Universums ist unsichtbar, und dieser Vers sagt uns, dass der Glaube uns Gewissheit gibt und uns beweist, dass Gott real ist. Doch dies ist keine ätherische oder mystische Hoffnung oder Zuversicht, denn, wie Paulus fortfährt: „Durch den Glauben erkennen wir, daß die Welt durch Gottes Wort geschaffen ist, so daß alles, was man sieht, aus nichts geworden ist“ (Vers 3). Dieser Glaube beruht auf dem Nachdenken über die Beweise, die wir um uns in der geschaffenen Welt sehen oder entdecken können. Glaube ist der Beweis für den unsichtbaren Ursprung der Schöpfung in Gott. Wie Paulus auch schreibt: „... Gottes unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, wird seit der Schöpfung der Welt ersehen aus seinen Werken“ (Römer 1, 20). Dieser Glaube ist nicht blind, sondern er erwächst aus vernünftigem Nachdenken über das, was wir mit eigenen Augen sehen können. So können Glaube und Vernunft ohne Widerspruch in ein und demselben Satz stehen. Wissenschaft und Religion können koexistieren, wenn wir bereit sind zu akzeptieren, dass die geschaffene Welt um uns beweist statt widerlegt, dass Gott real ist.

An Gott zu glauben erfordert Glauben, aber keinen blinden Glauben. 

DIE HERAUSFORDERUNG 

Wir haben diese Serie mit den Gedanken zweier Autoren begonnen, die sich der Herausforderung gestellt haben, gegen den intellektuellen Strom ihrer Zeit zu schwimmen. Es scheint angemessen, zum Schluss anzuerkennen, dass sie beide einen Weg nach vorn weisen. Schumacher schreibt: „In der Ethik wie in so vielen anderen Bereichen haben wir unser großes klassisch-christliches Erbe leichtfertig und starrsinnig aufgegeben. . . . Die Folge ist, dass wir vollkommen unwissend, vollkommen ungebildet in der Materie sind, die von allen denkbaren Materien die wichtigste ist.“ Seiner Ansicht nach ist eine Wiederherstellung der Metaphysik notwendig, um die seelen- und lebensfeindlichen Theorien des 19. Jahrhunderts zu ersetzen. In diesem neuen Jahrhundert müssen wir diese zeitlosen christlichen Werte wiederherstellen und auf sie bauen.

Patrick Glynn seinerseits kommt zu dem Schluss: „Für einen intelligenten Menschen gibt es heute keinen guten Grund, an die Illusion des Atheismus oder Agnostizismus zu glauben - die gleichen Fehler zu machen, die ich gemacht habe.“

Ich denke, sie haben beide Recht. Und Sie?