Selbstbeherrschung aus der Sicht der Bibel
„Selbstbeherrschung“ ist ein relativ modernes Wort, doch gibt es etwas wieder, das in der Bibel mehrfach vorkommt. Der Apostel Paulus sprach darüber, als er vor dem römischen Statthalter Felix stand und ihm die drei Aspekte des Glaubens (an Jesus Christus) erläuterte:
„Als er aber auf Gerechtigkeit und Selbstbeherrschung und das künftige Gericht zu sprechen kam, wurde es Felix angst und bang, und er entgegnete: Für diesmal kannst du gehen; wenn ich Zeit finde, werde ich dich wieder rufen lassen“ (Apostelgeschichte 24, 25, Zürcher Bibel 2007).
Das griechische Wort egkrateia, das hier mit „Selbstbeherrschung“ übersetzt ist, bedeutet auch Selbstdisziplin, Enthaltsamkeit, Mäßigung.
Im alttestamentlichen Buch „Sprüche“ erscheint der Begriff im folgenden Vers:
„Eine aufgebrochene Stadt ohne Mauer, so ist ein Mann ohne Selbstbeherrschung“ (Sprüche 25, 28, Elberfelder Bibel).
Hier hat die hebräische Redewendung ihre Wurzel in „verschließen“, „zurückhalten“ oder „Zurückhaltung“. Ein Mann, der sich nicht beherrschen, disziplinieren oder zurückhalten kann, ist sehr anfällig, wie eine Stadt, deren Mauern aufgebrochen sind.
Andere Schriftstellen sprechen von Menschen, die in der Versuchung Selbstdisziplin oder Selbstbeherrschung übten. Wie Paulus fanden sie, dass Selbstbeherrschung zum Glauben gehört.
Josef, dessen Geschichte im Buch 1 Mose überliefert ist, brauchte Selbstdisziplin, um all das zu ertragen, was ihm geschah. Doch dazu war er fähig, wie 1. Mose 39 berichtet: „Und Josef war schön an Gestalt und hübsch von Angesicht. Und es begab sich danach, dass seines Herrn Frau ihre Augen auf Josef warf und sprach: Lege dich zu mir! Er weigerte sich aber und sprach zu ihr: Siehe, mein Herr kümmert sich, da er mich hat, um nichts, was im Hause ist, und alles, was er hat, das hat er unter meine Hände getan; er ist in diesem Hause nicht größer als ich und er hat mir nichts vorenthalten außer dir, weil du seine Frau bist. Wie sollte ich denn nun ein solch großes Übel tun und gegen Gott sündigen? Und sie bedrängte Josef mit solchen Worten täglich. Aber er gehorchte ihr nicht, dass er sich zu ihr legte und bei ihr wäre. Es begab sich eines Tages, dass Josef in das Haus ging, seine Arbeit zu tun, und kein Mensch vom Gesinde des Hauses war dabei. Und sie erwischte ihn bei seinem Kleid und sprach: Lege dich zu mir! Aber er ließ das Kleid in ihrer Hand und floh und lief zum Hause hinaus“ (1. Mose 6b-12).
Diese Selbstdisziplin war ihm in den folgenden Jahren von großem Nutzen.
Dann gab es den Fall David. Zweimal hätte er Saulus töten können – und er wusste, dass ihm bestimmt war, an seiner Stelle König zu werden. Die zweite derartige Gelegenheit wird in 1. Samuel 26, 6-12 beschrieben: „Da hob David an und sprach zu Ahimelech, dem Hetiter, und zu Abischai, dem Sohn der Zeruja, dem Bruder Joabs: Wer will mit mir hinab zu Saul ins Lager? Abischai sprach: Ich will mit dir hinab. So kam David mit Abischai in der Nacht zum Lager. Und siehe, Saul lag und schlief im innersten Lagerring und sein Spieß steckte in der Erde zu seinen Häupten. Abner[BP1] aber und das Volk lagen um ihn her.
Da sprach Abischai zu David: Gott hat deinen Feind heute in deine Hand gegeben; so will ich ihn nun mit seinem Speer an den Boden spießen mit einem Mal, dass es keines zweiten mehr bedarf. David aber sprach zu Abischai: Tu ihm nichts zuleide; denn wer könnte die Hand an den Gesalbten des HERRN legen und ungestraft bleiben? Weiter sprach David: So wahr der HERR lebt: Der HERR wird ihn schlagen, wenn seine Zeit kommt, dass er sterbe, oder er wird in den Krieg ziehen und umkommen. Von mir lasse der HERR fern sein, dass ich meine Hand sollte an den Gesalbten des HERRN legen. Nimm nun den Spieß zu seinen Häupten und den Wasserkrug und lass uns gehen. So nahm David den Spieß und den Wasserkrug zu Häupten Sauls und sie gingen weg, und es war niemand, der es sah oder merkte oder der erwachte, sondern sie schliefen alle; denn es war ein tiefer Schlaf vom HERRN auf sie gefallen“.
Sowohl Josef als auch David handelten nach geistlichen Prinzipien.
Natürlich gibt es andere Beispiele, bei denen es um fehlende Zurückhaltung oder Beherrschung geht. In einem Brief an Timotheus schreibt Paulus über menschliche Eigenschaften am Ende der Zeit: „Das sollst du wissen: In den letzten Tagen werden schwere Zeiten anbrechen. Die Menschen werden selbstsüchtig sein, habgierig, prahlerisch, überheblich, bösartig, ungehorsam gegen die Eltern, undankbar, ohne Ehrfurcht, lieblos, unversöhnlich, verleumderisch, unbeherrscht, rücksichtslos, roh“ (2. Timotheus 3, 1-3, Einheitsübersetzung).
Doch Paulus erkannte auch klar an, dass manche Menschen diese wichtige Tugend weiter üben. Auf sie bezieht er sich in seinem Brief an die Gemeinde von Korinth:
„Wisst ihr nicht, dass die, die in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer empfängt den Siegespreis? Lauft so, dass ihr ihn erlangt. Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge; jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen. Ich aber laufe nicht wie aufs Ungewisse; ich kämpfe mit der Faust, nicht wie einer, der in die Luft schlägt, sondern ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn, damit ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde“ (1. Korinther 9, 24-27).
Im Kontext der Erziehung von Kindern, die lernen sollen, ihr Denken, Fühlen und Handeln zu beherrschen, sind Eltern in gleicher Weise gefordert: Sie müssen vorleben, was sie vermitteln wollen. Sie müssen sich im Griff haben.
Zu lernen, wie man sich selbst beherrscht, ist eines der schwersten Dinge im Leben – aber es ist unverzichtbar für ein gut gelebtes Leben.