Weihnachten - na und?
Es ist heute Allgemeinwissen, dass das zweitwichtigste Fest im christlichen Kalender eigentlich keine christliche Tradition ist. Die meisten Menschen sehen dies als irrelevant, aber ist es das wirklich? Sind gute Beweggründe ausreichend dafür, ob etwas als richtig oder falsch einzustufen ist?
In dem berühmten Broadway Musical „Fiddler on the Roof“ (Anatevka) aus dem Jahre 1964, das im zaristischen Russland spielt, betont der Hauptdarsteller Tevje, dass die Tradition dem Leben der Dorfleute Ausgeglichenheit gibt und dass ihr Leben ohne Traditionen so unsicher wäre „wie ein Fiedler auf dem Dach“. Ohne Zweifel sind Traditionen etwas, was Menschen eine gewisse Geborgenheit vermittelt, ohne die sich der damit aufgewachsene Mensch leicht verunsichert fühlen kann, wie Tevje so rührend singt.
Der Stellenwert von gemeinsamen Traditionen für den Zusammenhalt und das Identitätsbewusstsein von Kulturen ist unbestritten. Auch wenn junge Menschen sich manchmal von althergebrachten Traditionen abwenden und neue Identitäten suchen, kehren nicht wenige im fortgeschrittenen Alter wieder dorthin zurück, vielleicht auch in der Hoffnung, dadurch das Gefühl der Geborgenheit in der Kindheit wieder zu beleben.
Dies trifft bestimmt auch auf das einerseits so beliebte und andererseits wegen diverser Begleitumstände auch bei manchen auf Ablehnung stoßende Weihnachtsfest zu. Dieses Fest hat vor allem anderen mit Tradition zu tun. Die Catholic Encyclopedia stellt ganz klar fest, dass es „nicht eines der frühen Feste der Kirche war“. Eigentlich, so diese katholische Quelle, sei das Fest ein Beispiel einer Lehre oder eines Brauches, „der von Generation zu Generation weitergegeben wurde … es ist eine alte Tradition, dass Jesus Christus am 25. Dezember geboren wurde (Betonung hinzugefügt).
Aber ist Tradition eine ausreichende Rechtfertigung für einen Brauch, der mit dem Ereignis oder der Person, um die es geht, im Widerspruch steht?
WAS IST DAS PROBLEM?
Aufmerksame Leser unserer Publikationen werden schon erkannt haben, dass wir versuchen, den Dingen auf den Grund zu gehen und verschiedene Lehren des traditionellen Christentums auf eine prüfende Waagschale legen, um festzustellen, ob sie einer Prüfung durch das Buch, das die Christenheit als Grundlage ihrer Lehre sieht, standhalten. Wenn man dies tut, kommt man zuweilen auf überraschende Ergebnisse.
Heutzutage gibt es viele Menschen, auch aus religiösen Kreisen (wie die Catholic Encyclopedia zeigt), die klar erkennen und akzeptieren, dass das Weihnachtsfest nicht aus der Heiligen Schrift abgeleitet werden kann. Zeitungsberichte, die jährlich um diese Zeit erscheinen, unterstreichen dies. Man könnte sagen, dass man den nichtbiblischen Ursprung des Festes zwar erkennt, aber trotzdem kein Problem darin sieht, die Geburt Christi am 25. Dezember (oder am Abend des 24. Dezember) zu feiern. Wieso auch?
„In der Wintersonnenwende, wenn das leuchtende Tagesgestirn wieder am Himmel emporsteigt, erschienen die Götter unter den Menschen, vor allen Fro, der Gott des Friedens und Frohsinns, Spender der Fruchtbarkeit und aller guten Gaben, dazu Bertha, die Seelenmutter. Dann hörte aller Krieg und Hader auf, man gab sich den Friedenskuß und zündete Lichter und Freudenfeuer an.“
Oberflächlich betrachtet scheint sicherlich kein Anlass zu bestehen, dies zu hinterfragen. Es ist ja eine Tradition, die im „Zeichen des Friedens unter den Menschen“ steht. Sie bringt Menschen zusammen, Familien, Freunde feiern zusammen, beschenken einander (auch wenn sie nicht selbst Geburtstag haben, sondern angeblich der, um den es geht). Was kann es schon ausmachen, ob Christus wirklich an dem Tag geboren worden ist, solange man ihm damit Ehre entgegenbringt? Was ist schon dabei, dass die traditionellen Bäume mit Lametta, die Lichter, Kränze, Mistelzweige, der Jul-Baum oder die Weihnachtsgeschenke ihren Ursprung im Heidentum haben? Der Geist von Weihnachten, so argumentiert man, überschreibt doch die Ursprünge der verschiedenen Traditionen, sogar wenn das Fest auf Irrtum beruhen sollte. Es ist klar, dass dies Fragen sind, die viele Menschen tatsächlich nicht kümmern; trotzdem möchten wir sie an alle richten, denen es wichtig ist, den Dingen auf den Grund zu gehen.
Eine Antwort kann durch eine Konversation illustriert werden, die Jesus mit einer samaritischen Frau hatte, die er nahe der Stadt Sychar in Samarien traf (siehe Johannes, Kapitel 4). Viele Bibelkommentare merken an, dass die Samariter verächtlich behandelt wurden – gewissermaßen als „Promenadenmischung“ angesehen wurden. Diese Mischlinge waren entstanden, weil im 8. Jahrhundert v.Chr. nach der Deportation Israels Fremde in das Gebiet des ehemaligen nördlichen Teils des Königreiches Israel verpflanzt worden waren. Die neuen Einwohner vermischten sich mit den restlichen Israeliten, die nicht aus dem Land vertrieben worden waren, und absorbierten viele hebräische Bräuche, sogar bis hin zur Verehrung des Gottes Israels. Sie vermischten jedoch Aspekte der jüdischen Thora (dem Gesetz) mit der Verehrung heidnischer Götter, die sie „importiert“ hatten: „So dienten sie gleichzeitig dem HERRN und ihren eigenen Göttern; denn sie hielten an den Bräuchen fest, die sie aus ihren Heimatländern mitgebracht hatten“ (2. Könige 17, 33; Gute Nachricht Bibel). Sie sahen sich zwar als Israeliten und hielten israelitische Traditionen, aber wussten nicht wirklich, was oder wen sie anbeteten.
Die samaritische Frau brachte das Problem auf den Punkt, als sie zu Jesus sagte: „Unsere Vorfahren verehrten Gott auf diesem Berg. Ihr Juden dagegen behauptet, dass Jerusalem der Ort ist, an dem Gott verehrt werden will“ (Johannes 4, 20; Gute Nachricht Bibel). Die Samariter hatten auf dem Berg Garizim einen Tempel errichtet, ganz in der Nähe, wo diese Unterredung stattfand. Sie und alle anderen in Samarien hatten an der Tradition festgehalten, am Berg Garizim anzubeten und Abraham, Isaak und Jakob als ihre Vorväter zu betrachten. Dies wäre der ideale Zeitpunkt für Jesus gewesen, zu bestätigen, dass es egal sei, wo und in welcher Tradition man Gott verehrte, solange man nur Gott anerkenne. Stattdessen ermahnte er sie vorsichtig, indem er ihre Erkenntnis auf eine höhere Ebene brachte. Er wies darauf hin, dass die richtige Gottesverehrung „im Geist und in der Wahrheit“ geschehen müsse, nicht nach von Menschen erdachten Traditionen. Das Festhalten an ihren Traditionen hatte die Samariter in Bezug auf die Wahrheit im Dunkeln gelassen.
Die Leute von Samarien waren in ihren religiösen Gewohnheiten sehr ernsthaft und glaubten, dem Beispiel Abrahams und Moses zu folgen. Ihre Bräuche hinderten sie jedoch daran, den Vater „im Geist und in der Wahrheit“ zu verehren.
UNTERSCHIEDLICHE TRADITIONEN
Richtige Traditionen sind ein wichtiger Aspekt in einem gottgefälligen Leben, wie der Apostel Paulus bestätigt: „Seid also standhaft, Brüder, und haltet an den Überlieferungen fest, in denen wir euch unterwiesen haben, sei es mündlich, sei es durch einen Brief“ (2. Thessalonicher 2, 15; Einheitsübersetzung). Paulus war eindeutig nicht der Meinung, dass alle menschlichen Traditionen richtig seien, er schrieb nämlich später im Kolosserbrief: „Gebt acht, daß euch niemand mit seiner Philosophie und falschen Lehre verführt, die sich nur auf menschliche Überlieferung stützen und sich auf die Elementarmächte der Welt, nicht auf Christus berufen“ (Kolosser 2, 8; Einheitsübersetzung).
Es gibt also Traditionen, die wir halten sollten und andere, die ein Nachfolger Christi vermeiden sollte. Manche Traditionen basieren auf eindeutigen biblischen Lehren und andere sind bloße menschliche Bräuche und stehen sogar im Widerspruch zu biblischen Lehren.
Um den Unterschied deutlich zu machen, ist es hilfreich, ein Beispiel von Jesus Christus selbst zu betrachten. Die religiösen Führer zurzeit Jesu leiteten ihre Prinzipien für das Lehren des Gemeinwesens in Israel vorwiegend von den mündlichen Überlieferungen ab. Ursprünglich waren diese Überlieferungen Erweiterungen des Gesetzes gewesen, das Mose und den Israeliten gegeben worden war. Im Verlauf der Zeit entfernten sich jedoch die Traditionen weiter und weiter von der ursprünglichen Absicht und bezogen ihre Autorität immer mehr aus der Tradition als aus der Schrift.
In einem Beispiel aus Jesu Leben konfrontierte er einmal die religiöse Obrigkeit in Bezug auf das zeremonielle Händewaschen vor dem Essen. Die Pharisäer bezogen diese von ihnen mit peinlichster Genauigkeit durchgeführten Waschungen unverhohlen auf „die Satzungen [Überlieferungen, Traditionen] der Ältesten“. Jesu Antwort war ziemlich direkt und eindeutig. Er beschrieb diese Führer als Heuchler, und ihre Traditionen als „Lehren, die nichts sind als Menschengebote“, und fügte noch hinzu: „Ihr verlasst Gottes Gebot und haltet der Menschen Satzungen“. Besonders tragisch für die Betroffenen war seine Bemerkung in Bezug auf das Ersetzen von Gottes Geboten mit menschlichen Traditionen insofern, dass sie dadurch Gott „vergeblich dienen“ würden (Markus 7, 5-8; Lutherbibel). Die klare Botschaft war hier, dass die Gebote Gottes menschliche Traditionen überschreiben, bzw. ihnen immer der Vorzug zu geben ist.
Für Menschen, die christliche Tradition im Sinne von Nachfolge Jesu verstehen, sind seine Worte auch in Bezug auf das Feiern von aus nichtchristlichen Traditionen stammenden Festen von großer Bedeutung.
NACH DEM WEG LEBEN
Schon der alttestamentliche Prophet Jeremia ermahnte die Menschen seiner Zeit, sich keine hölzernen Götzen (wie die Heiden um sie herum) zu machen; er sagte: „So spricht der HERR: Ihr sollt nicht den Gottesdienst der Heiden annehmen und sollt euch nicht fürchten vor den Zeichen des Himmels, wie die Heiden sich fürchten. Denn ihre Götter sind alle nichts. Man fällt im Walde einen Baum, und der Bildhauer macht daraus mit dem Schnitzmesser ein Werk von Menschenhänden, und er schmückt es mit Silber und Gold und befestigt es mit Nagel und Hammer, daß es nicht umfalle … Sie sind alle Narren und Toren; denn dem Holz zu dienen ist ein nichtiger Gottesdienst“ (Jeremia 10, 2-4. 8). Gott verurteilt diese Traditionen und Bräuche, denen heidnische religiöse Praktiken zugrunde liegen, weil sie am Kern des wahren Gottesglaubens vorbeigehen.
In diesem Zusammenhang gilt das Prinzip: Der Apfel, den man Birne nennt, bleibt doch immer ein Apfel. Auch wenn eine Sache noch so schön verkleidet und mit neuen Inhalten ummantelt wird, richtet der aufrichtig nach Wahrheit Suchende sein Augenmerk doch auf den Kern einer Sache.
Eine hervorragende Darlegung der prinzipiellen Sichtweise Gottes in diesem Zusammenhang finden wir in 5. Mose 12, Vers 29-31 und Kapitel 13, Vers 1. Mose instruiert die Israeliten vor ihrem Eintritt in das Heilige Land, indem er sagt: „Wenn der HERR, dein Gott, vor dir her die Völker ausrottet, zu denen du kommst, ihr Land einzunehmen, und du es eingenommen hast und darin wohnst, so hüte dich, daß du dich nicht verführen läßt, es ihnen nachzutun, nachdem sie vertilgt sind vor dir, und daß du nicht fragst nach ihren Göttern und sprichst: Wie haben diese Völker ihren Göttern gedient? Ebenso will auch ich es tun! So sollst du dem HERRN, deinem Gott, nicht dienen; denn sie haben ihren Göttern alles getan, was dem HERRN ein Greuel ist und was er haßt; denn sie haben ihren Göttern sogar ihre Söhne und Töchter mit Feuer verbrannt … Alles, was ich euch gebiete, das sollt ihr halten und danach tun. Ihr sollt nichts dazutun und nichts davontun“ (Lutherbibel).
Das Fest, das am 25. Dezember (oder 24.-26.) gefeiert wird, war schon lange, bevor ihm ein christliches Mäntelchen umgelegt wurde, ein religiöses Fest. Im englischen Sprachraum wird dem Fest durch den Namen „Christ-mas“ zumindest ein Bezug zu demjenigen hergestellt, dem das Fest offensichtlich gelten soll. Der deutsche Begriff „Weihnacht“ leitet sich nach der germanischen Geschichte von den zwölf heiligen Weihnächten (Winnachten) ab, die das um zwölf Tage kürzere Mondjahr vom Sonnenjahr trennen. Die Nacht galt den Nordvölkern für die Mutter des Tages, die längste oder Jahresnacht hatte das neue Jahr zum Sohne. Die Römerwelt beging den vorjulianischen Solstiztag, den 25. Dezember, als das Fest der Geburt des Sonnenkindes, Sol novus oder Deus Mithras invictus. Auch im alten Griechenland gab es ähnliche Bräuche: „In der Zeit der Wintersonnenwende zogen die ehrbaren attischen Frauen in Wallfahrt nach Delphi ... es war die Geburtszeit des allersüßesten Götterkindes – Dionysos“ (Sepp, Die Religion der alten Deutschen). Auch die Ägypter haben mit dem Bild von Horus auf den Armen der Gottesgebärerin Isis einen Vorläufeder „Weihnachstsgeschichte“.
In unserer globalisierten Welt, auch in der nichtchristlichen, feiern viele Menschen das Fest heute in einem rein säkularen Sinn und weisen insofern jeden Hinweis auf den Ursprung als irrelevant zurück. Es ist für sie ein schönes Fest, auf das sie sich freuen und das sie genießen wollen und können. Religiöse Bezugspunkte haben für diese Menschen keinen Wert, manchen stört vielleicht der überbordende kommerzielle Rummel. Religiöse Menschen übersehen andererseits, zum Teil bewusst, die heidnischen Ursprünge oder meinen, das Feiern der Geburt Jesu als „christlicher“ Hintergrund rechtfertige alles andere. Für jemanden, der sich den biblischen Lehren zuwendet, sind fromme Absichten allerdings keine gültige Formel, die alles rechtfertigt.
In diesem Zusammenhang wird manchem Leser der Bibel bestimmt aufgefallen sein, dass nirgendwo in der Bibel exakt festgelegt ist, wann Jesus Christus genau geboren wurde. Wenn dieses Fest von so immenser Wichtigkeit wäre, wie man es aus der heutigen christlichen Praktik ableiten könnte, scheint dies seltsam und verwirrend. Man findet in Gottes Wort auch keine Hinweise darauf, dass man die Geburt Christi überhaupt feiern sollte. Die Schrift richtet sich allerdings klar und vehement gegen Traditionen und Bräuche, deren Ursprung in heidnischen Praktiken liegt und die nicht dem Wort Gottes entsprechen, wie wir in diesem Artikel aufgezeigt haben.
Nachfolgern Jesu Christi werden die Worte des Apostels Johannes insofern am Herzen liegen: „… die wahren Anbeter [werden] den Vater anbeten … im Geist und in der Wahrheit; denn auch der Vater will solche Anbeter haben. Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.“